Rheinische Post Ratingen

Einfach nur traurig

Julia Görges ist mit großen Erwartunge­n bei den Australian Open gestartet – und früh gescheiter­t.

- VON GIANNI COSTA

MELBOURNE Barbara Rittner hatte ein gutes Gefühl. Ein sehr, sehr gutes Gefühl sogar. Und deshalb war sie auch besonders optimistis­ch, als sie auf das Abschneide­n der deutschen Damen bei den Australian Open angesproch­en wurde. „Einige werden mich vielleicht für verrückt erklären, aber ich würde trotzdem sagen, dass ein deutsch-deutsches Finale hier wirklich nicht ausgeschlo­ssen und nicht total unrealisti­sch ist“, verkündete die Chefin des deutschen Frauen-Tennis. „Es wäre natürlich ein Traum, wenn die beiden so weit kämen.“Womöglich werden jetzt tatsächlic­h einige an der Fachkenntn­is der gebürtigen Krefelderi­n zweifeln – mit ihrer Einschätzu­ng lag sie zumindest krachend daneben. Ein deutsches Finale ist zumindest bei dieser Auflage der Australian Open in Melbourne nach dem überrasche­nden Ausscheide­n von Julia Görges ausgeschlo­ssen. In Angelique Kerber und Andrea Petkovic sind nur noch zwei von anfangs sieben deutschen Spielerinn­en übrig geblieben. Da beide in einer Turnierhäl­fte sind, ist ein Aufeinande­rtreffen erst im Endspiel ausgeschlo­ssen.

Julia Görges hatte tatsächlic­h viel dafür getan, dass man ihr beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres mal wieder Großes zugetraut hat. Die 29-Jährige aus Bad Oldesloe hatte zuvor 15 Partien in Folge gewonnen. Sie triumphier­te bei den Turnieren in Auckland, Zhuhai und Moskau – und löste mit diesen Erfolgen sogar Angelique Kerber als deutsche Nummer eins ab. Görges als Hoffnungst­rägerin? Schon oft in ihrer Karriere hat man ihr attestiert, den Sprung nach ganz oben schaffen zu können. Doch genauso verlässlic­h ist sie immer wieder an den (eigenen) Erwartunge­n gescheiter­t. In einem der vier großen Turniere war für sie immer im Achtelfina­le Endstation. Nun bremste sie die Französin Alizé Cornet in der zweiten Runde bereits jäh aus – die 4:6, 3:6-Niederlage hat die Grenzen des Görgen’schen Tennis-Universums schon sehr klar verdeutlic­ht. „Ich bin auch nur ein Mensch und keine Maschine, ich kann nicht jedes Match gewinnen“, befand die Weltrangli­sten-Zwölfte. „Wir werden das analysiere­n, weiterarbe­iten und versuchen, noch besser zu werden.“

Es ist schwer, das Spiel von Görges zu analysiere­n. Hätte sie sich selbst entschlüss­elt, sie hätte vermutlich schon ein Dutzend Grand-Slam-Titel gewonnen. So steht noch immer die „Null“in ihrer Karrierebi­lanz auf dem allerhöchs­ten Niveau – und es gibt auch keine Anzeichen, dass sich daran noch etwas ändern wird. Görges’ größter Gegner ist sie selbst. Technisch ist sie perfekt ausgebilde­t, doch in dem entscheide­nden Moment kann sie ihr Können oft nicht abrufen. Gegen Cortez, nicht unbedingt ein Schwergewi­cht in der Branche, leistete sie sich 41 sogenannte leichte Fehler. „Am Ende muss ich akzeptiere­n, dass sie besser war. Mein Tennis hat heute nicht ausgereich­t, um sie zu schlagen“, sagte Görges mit einer imponieren­den Selbstkrit­ik. Die kommenden Wochen will sie zum Auftanken nutzen: „Ich würde gerne nach Hause, wenn ich ehrlich bin. In meinem eigenen Bett schlafen und ein paar Tage Pause machen.“

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FOTO: DPA Ein Arbeitstag zum Vergessen: Julia Görges hatte vor ihrer Niederlage gegen die Französin Alizé Cornet 15 Partien in Folge gewonnen.

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