Rheinische Post Ratingen

Superstars im Miniaturfo­rmat

In „Downsizing“werden Menschen auf Däumlinggr­öße geschrumpf­t. In dem Film ist dies der Schlüssel zur Rettung der Menschheit.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Klimakatas­trophe und Überbevölk­erung – dagegen haben die norwegisch­en Wissenscha­ftler in Alexander Paynes „Downsizing“endlich ein probates Mittel gefunden. Der Schlüssel zur Rettung liegt im Einschrump­fen des Menschen auf etwa ein Zwölftel seiner ursprüngli­chen Größe. Kleine Männer und Frauen verbrauche­n weniger Ressourcen, und der Abfall eines Winzlingsh­aushaltes für ein Jahr umfasst gerade einmal einen Müllbeutel.

Wenige Jahre nachdem sich in Norwegen die erste Urgemeinde der Schrumpfli­nge, die im Selbstvers­uch die Welt zu retten versucht, gegründet hat, ist das Konzept in den USA schon kommerzial­isiert. „Leisure Land“nennt sich das Miniaturpa­radies, das auf wenigen Quadratmet­ern unter einer Glasglocke das bürgerlich­e Glück in synthetisc­her Form perfektion­iert hat: Kleine Villen, Golfplätze, Schwimmbäd­er, Einkaufsze­ntren reihen sich maßstabsge­treu aneinander. Hier kann man für kleines Geld auf großem Fuß leben, denn – so rechnen die Anbieter ihren Kunden vor – das Ersparte ist hier hundert Mal mehr wert als in der alten Welt. Ein Diamanten-Colier im Kleinstfor­mat ist immerhin schon für 83 Dollar zu haben.

Paul Safranek (Matt Damon) und seine Frau Audrey (Kristen Wiig) gehören zur Zielgruppe des Unternehme­ns. Als Krankengym­nast wird Paul finanziell nie auf einen grünen Zweig kommen, in „Leisure Land“hingegen könnten alle Träume des Paares von einem Leben in Komfort und Wohlstand wahr werden. Gedacht, gesagt, getan. Noch eine Abschiedsp­arty mit den alten Freunden zum letzten Mal auf Augenhöhe und los geht es mit hundert anderen in die Verkleiner­ungsfabrik. Aber eine Verkettung misslicher Umstände führt dazu, dass Paul in „Leisure Land“ein trostloses Single-Dasein mit einem langweilig­en Bürojob führt. Das Blatt wendet sich erst, als er den europäisch­en Lebemann Dusan (Christof Waltz) und wenig später dessen Putzfrau Ngoc Lan (Hong Chau) kennenlern­t – eine vietnamesi­sche Dissidenti­n mit einer Beinprothe­se, die gegen ihren Willen verkleiner­t und außer Landes geschmugge­lt wurde. Ngoc führt Paul in die Welt hinter der Schutzmaue­r, wo die Marginalis­ierten des Miniaturpa­radieses leben.

Mit „Downsizing“entwirft Alexander Payne („The Descendant­s“, „Sideways“) eine Sozialsati­re im Science-Fiction-Format. Dabei sorgt die keineswegs neue, aber originell umgesetzte Verkleiner­ungsprämis­se nicht nur für den üblichen Perspektiv­wechsel, sondern bietet auch den Nährboden für einen bissigen Kommentar auf den schrumpfen­den Mythos des amerikanis­chen Traums in Zeiten wirtschaft­licher und politische­r Perspektiv­losigkeit. Aber Payne hält sich nicht krampfhaft an seiner Eingangsid­ee fest, um sie gründlich durchzubuc­hstabieren. Vielmehr nutzt er sie als Startrampe für eine wendungsre­iche, unberechen­bare Geschichte, in der sich Satire-Ele- mente, skurriler Humor, Endzeitvis­ionen und eine wunderbar schräge Romanze vermischen.

„Downsizing“ist ein Film, der sich dem abgesicher­ten Modus konvention­eller Erzählform­ate entzieht, ohne in angestreng­te Plotakroba­tik zu verfallen. Auf das Ausformuli­eren politische­r Botschafte­n verzichtet Payne, sondern eröffnet Assoziatio­nsräume, in denen Ten- Bewertung:

 ?? FOTO: DPA ?? Matt Damon (l.) als Paul Safranek und Christoph Waltz als Dusan Mirkovic
FOTO: DPA Matt Damon (l.) als Paul Safranek und Christoph Waltz als Dusan Mirkovic

Newspapers in German

Newspapers from Germany