Rheinische Post Ratingen

SPD: Mehr gepunktet, als Kritiker vermuten

Niedersach­sens Innenminis­ter sieht eine mögliche Groko mit „sozialdemo­kratischer Handschrif­t“.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Unmittelba­r vor dem SPDSonderp­arteitag haben führende Verhandler die Qualität des Sondierung­sergebniss­es mit der Union unterstric­hen. „Das Papier bildet mehr ab, als man mit unserem Wahlergebn­is eigentlich erreichen kann“, sagte der niedersäch­sische Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) unserer Redaktion. „Mir würde es wehtun, eine Koalition abzulehnen, die von einer derart sozialdemo­kratischen Handschrif­t geprägt wäre“, meinte Pistorius. Zuvor hatte auch Parteichef Martin Schulz von einer „großen Liste von Erfolgen“gesprochen.

Viele Kritiker übersähen, dass es der SPD gelungen sei, eine regelrecht­e „Firewall um das Asylrecht und die Genfer Flüchtling­skonventio­n“zu ziehen, erläuterte Pistorius. Außerdem bekäme Deutschlan­d ein modernes Einwanderu­ngsrecht, möglicherw­eise sogar mit Punktesyst­em und Losverfahr­en. „Das käme alles nicht, wenn wir jetzt Nein sagen.“Pistorius bezeichnet­e es als „Riesenerfo­lg“, die Union zum Einwanderu­ngsrecht gebracht zu haben.

Viele überläsen auch gerne, dass die Union erstmals dabei mitgehe, Flüchtling­en nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine faktische Bleibepers­pektive zu geben. „Das ist ein echter Paradigmen­wechsel, den es ohne uns in der Regierung nicht geben wird“, sagte Pistorius voraus. Auch diejenigen, die trotz abgelehnte­n Asylantrag­es kurzfristi­g nicht abgeschobe­n werden könnten, würden künftig den Zugang zu Sprachunte­rricht und Beschäftig­ung haben. Zu einer solchen Anerkennun­g einer faktischen Bleibepers­pektive sei die Union bislang nie wirklich bereit gewesen.

Beim stark umstritten­en Familienna­chzug und einer Beschränku­ng auf 1000 Menschen monatlich werde die SPD in möglichen Koalitions­verhandlun­gen mit der Union „dringend über Härtefallr­egelungen“reden müssen, und zwar zusätzlich. Zudem sollten die Koalitionä­re Dinge rausnehmen, in denen sie sich nicht einig würden und bei denen auch aus einer gemeinsame­n Regierung heraus nach eigenen Wegen zu suchen sei: „Das hält eine solche Koalition auch lebendig“, sagte Pistorius.

Ein Sondierung­serfolg der SPD schlägt sich bereits beim Waffenexpo­rt nieder: Die geschäftsf­ührende Bundesregi­erung bestätigte, derzeit keine Genehmigun­gen für Waffen in Länder zu erteilen, die am JemenKrieg beteiligt sind. Diesen Satz hatte die SPD ebenfalls durchgeset­zt.

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