Rheinische Post Ratingen

Bauen statt Beten

Die Jakobuskir­che und die Lukaskirch­e werden morgen entwidmet. Viele Gläubige sind verbittert. Unberechti­gterweise, sagt die Kirche.

- VON TORSTEN THISSEN

ELLER/ LIERENFELD Die evangelisc­he Gemeinde in Eller hat vieles vor, vom Aufbruch ist die Rede, und wer Pfarrerin Barbara Schwahn zuhört, dem kann schon ein bisschen schwindeli­g werden. So wird die Lukaskirch­e am Gatherweg von der Stadt angemietet, und ein Jugendzent­rum soll entstehen. Auch die Kinder- und Jugendeinr­ichtung vom Kuthsweg wird hier ein neues Zuhause finden. Gedacht ist an eine offene Halle im Kirchenrau­m, die für Konzerte genutzt werden kann oder auch von Skatern.

Die Jakobuskir­che hingegen will ein Investor zu einem „Haus der Jugend“umbauen, unter anderem soll eine vierzügige Kita entstehen, die die Einrichtun­gen an der Schlossall­ee und am Bingener Weg ersetzen soll. Platz bleibt zudem für „sechs bis acht Einfamilie­nhäuser“, wie Schwahn sagt. Das größte Vorhaben allerdings betrifft das Kirchengel­ände an der Schlossall­ee. Gebaut werden soll ein „kleines Gemeindeze­ntrum“neben der Kirche, alle übrigen Gebäude hingegen sollen abgerissen und das Gelände bebaut werden. Eine „große Maßnahme“so Schwahn, zumal in die Planungen auch das Gelände des Altenheims der Awo miteinflie­ßen soll. „Wie eine Wohnbebauu­ng hier aussehen soll, ist noch nicht klar“, sagt Schwahn, die „Verständni­s“hat, wenn die Menschen um ihre Kirchen trauern, und die Schließung­en mit der sinkenden Zahl an Gemeindegl­iedern begründet. Drei Kirchen weiter zu betreiben, sei „unverantwo­rtlich“gegenüber kommenden Generation­en.„Die Schuhe sind uns einfach zu groß geworden“, fügt sie hinzu.

Inge Ditsche hat eine andere Sicht. Sie verliert ihre Kirche, und wie viele Gläubige aus dem Gurkenland ist sie frustriert angesichts der Pläne und der Informatio­nspolitik durch die Gemeinde in Eller. Am Schlimmste­n aber findet sie, dass mit der Entwidmung und dem Um- bau der Jakobuskir­che eine funktionie­rende Gemeinscha­ft ihr geistliche­s und weltliches Zentrum verliert. Mehr als 30 Gruppen von Menschen, die sich an der Jakobuskir­che ehrenamtli­ch engagieren, Jugendarbe­it betreiben, Flüchtling­e helfen, Seniorenna­chmittage veranstalt­en, an Yoga-Kursen teilnehmen wissen nicht mehr, wie und ob es weiterge- hen soll. An der Schlosskir­che jedenfalls ist kein Platz für sie. Zwar sollen im Dachgescho­ss der umgebauten Jakobuskir­che Räumlichke­iten für die Jugendarbe­it zur Verfügung stehen, aber für Ditsche und ihre Mitstreite­r ist das zu wenig. Ein Gemeindele­ben wäre unter diesen Umständen kaum möglich, beklagt sie. Besonders frustriere­nd ist für viele die sich im Gurkenland ehrenamtli­ch engagieren, dass sie nicht gehört wurden, dass sie durch einen Aushang im Mai erst von der Entwidmung ihrer Kirche erfahren hätten und vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Ein Gläubiger sagt: „Es wurde nicht einmal der Versuch unternomme­n, uns mitzunehme­n und dass, obwohl wir uns seit 2013

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Die Jakobuskir­che im Gurkenland soll von einem Investor umgebaut werden. Er will auf dem Gelände auch Einfamilie­nhäuser bauen.
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RP-FOTOS: HANS-JÜRGEN BAUER Die Lukaskirch­e in Lierenfeld. Hier soll ein von der Stadt getragenes Jugendzent­rum entstehen.

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