Edles Wimmern
Anne-Sophie Mutter und das Orchestra di Santa Cecilia in der Tonhalle.
DÜSSELDORF Bisweilen sitzt man so hoch im Rang der Düsseldorfer Tonhalle, dass man nach dem beschwerlichen Aufstieg am liebsten mit Richard Strauss’ „Alpensymphonie“belohnt würde. Der Komponist hatte selbst im Gebirge gelebt und wusste, was dünne Luft bedeutet. Diesmal erklang allerdings des Meisters „Heldenleben“, ein weiteres Ungetüm aus Strauss’ nach Höchstem strebender Werkstatt.
Das bravouröse Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia aus Rom spielte dieses Werk, das nicht zu den meistgeliebten Orchesterwerken zählt, mit famoser Kompetenz und Inbrunst. Die sozusagen heroische Behaglichkeit, die durch alle Ritzen dieser Musik dringt, kam fein heraus; die Römer schienen uns flüstern zu wollen, dass es gerade bei ihnen daheim Vorbilder für dezenten Prunk gibt. Das schwere Blech wurde nie grob, die Holzbläser schnäbelten um die Wette, und die Streicher sangen, als müsse die hohe Kunst des Belcanto auch im spätromantisch-sinfonischen deutschen Fach geübt werden. Antonio Pappano am Pult gelang es zudem, uns Hörern die Geschichte des Stücks nicht aus den Augen und Ohren verlieren zu lassen. Das Auditorium schien derart gebannt von dieser vorzüglichen Leistung, dass nach dem leisen Schlussakkord erst andächtige Stille herrschte, bevor der Jubel ausbrach.
Der Clou des „Heldenlebens“ist, dass es sich um ein verkapptes Violinkonzert handelt. Roberto Gonzá- lez-Monjas, der Konzertmeister der Römer, musizierte es herrlich, nämlich edel, stilvoll und trotzdem mit Mut zum Risiko. Dies alles konnte man von seiner Kollegin Anne-Sophie Mutter, die vor der Pause Beethovens Violinkonzert vortrug, nicht immer sagen. Gewiss ist die Musikerin technisch über jeden Zweifel erhaben, aber an diesem Abend setzte sie alles daran, das Werk maximal zu personalisieren. Der erste Satz, von ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit entschleunigt und verbreitert, erreichte Höchstwerte auf der Depressionsskala; der zweite begab sich als edles Wimmern in bleierner Zeit; und nur vom dritten Satz ließ sich zweifelsfrei behaupten, dass es sich tatsächlich um Beethovens Violinkonzert handelte.
Zeit machte die Künstlerin jeweils in den Kadenzen gut, die sie selbstverständlich atemberaubend virtuos hinlegte. Die Gigue aus Bachs Partita d-Moll als Zugabe machte sie zu einem furiosen Knattern der Töne, das erneut die Grenzen des Stilgefühls ignorierte, aber gottlob von kurzer Dauer war.