Ratinger Organist trauert um Pariser Freund und Kollegen
RATINGEN „Mein und unser Freund Pierre Pincemaille ist am vergangenen Freitag in Paris gestorben. Seine Familie, seine Freunde und Anhänger rund um den Globus sind in ihrer Trauer um diesen einzigartigen Menschen und Musiker vereint. Pierre wurde 61 Jahre alt und starb doch reich an Leben in seiner ganzen irdischen Fülle. Unvergleichlich und unvergesslich sind die Momente reinen Glücks, die er uns als begnadeter Improvisator geschenkt hat, der sich auch als Interpret immer wieder zu neuen Ufern des Repertoires aufmachte und an den Meilensteinen der Tradition sich inspirierte und Maß nahm.“
Soweit Ansgar Wallenhorst in einem Nachruf auf seinen Freund. Seit 1987 war Pierre Pincemaille gern gesehener Gast in Ratingen. Er war Titularorganist an der Orgel der Kathedrale Saint-Denis bei Paris, in der sich die erste große Orgel (1841) des französischen Orgelbaumeisters Aristide Cavaillé-Coll befindet.
Pincemaille war Professor der Konservatorien von Lyon, SaintMaur und Saint-Germain-en-Laye. Daneben trat er weltweit als Organist auf und machte zahlreiche Einspielungen, unter anderem der zehn Orgelsinfonien von CharlesMarie Widor und der gesamten Orgelwerke von Pierre Cochereau und Maurice Duruflé. In Ratingen gastierte er fünfmal mit großem Erfolg.
Wallenhorst: „Unvergleichlich und unvergesslich war die Präsenz von Pierre. Vom ersten Moment des mit quietschenden Reifen vorfah- renden Liebhabers schneller Autos bis zum warmherzigen Abschied – Pierre war leidenschaftlich präsent ohne Abschweifungen, meist mit Zigarette und in Bewegung. Dabei wirkte diese Unruhe nicht zerstreuend oder abschweifend, sondern geradezu als Prélude zu dem, was einen später musikalisch erwartete.“
Unvergleichlich und unvergesslich bleiben auch dem Förderverein musica sacra die geselligen Abende nach seinen musikalischen Darbietungen. Der geborene Schauspieler, Fan von Spielfilmen der 50er Jahre und Komödiant zog jeden sofort in seinen Bann. Gestärkt durch das obligatorische Steak, das höchstens 10 Sekunden eine heiße Pfanne gesehen haben durfte, beflügelt durch Rotwein und das eine oder andere Glas Whisky, lief Pierre zur zweiten Hochform des Abends auf. Notfalls ging es eben auch nach drei Stunden Schlaf dann acht Stunden hinter dem Steuer weiter an den nächsten Konzertort.
Wallenhorst: „Mein erster Besuch 1986 – Pierre hatte ein angebrochenes Handgelenk, und sein Hund trank während der Improvisationen die Weihwasserbecken leer... – war eine Offenbarung…. Wenn Pierre die Stufen hochgeeilt und unter den abgeklemmten Rauchmeldern mit Zigarette im Mundwinkel an den Clavieren Platz genommen hatte, vollzog sich jedes Mal ein Schauspiel aus Virtuosität und Innigkeit, clownesken Einlagen und gewandtem Vortrag.“Die weltweite Orgelgemeinde hat einen charismatischen Menschen, Künstler und Freund verloren.