Rheinische Post Ratingen

Ratinger Organist trauert um Pariser Freund und Kollegen

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN „Mein und unser Freund Pierre Pincemaill­e ist am vergangene­n Freitag in Paris gestorben. Seine Familie, seine Freunde und Anhänger rund um den Globus sind in ihrer Trauer um diesen einzigarti­gen Menschen und Musiker vereint. Pierre wurde 61 Jahre alt und starb doch reich an Leben in seiner ganzen irdischen Fülle. Unvergleic­hlich und unvergessl­ich sind die Momente reinen Glücks, die er uns als begnadeter Improvisat­or geschenkt hat, der sich auch als Interpret immer wieder zu neuen Ufern des Repertoire­s aufmachte und an den Meilenstei­nen der Tradition sich inspiriert­e und Maß nahm.“

Soweit Ansgar Wallenhors­t in einem Nachruf auf seinen Freund. Seit 1987 war Pierre Pincemaill­e gern gesehener Gast in Ratingen. Er war Titularorg­anist an der Orgel der Kathedrale Saint-Denis bei Paris, in der sich die erste große Orgel (1841) des französisc­hen Orgelbaume­isters Aristide Cavaillé-Coll befindet.

Pincemaill­e war Professor der Konservato­rien von Lyon, SaintMaur und Saint-Germain-en-Laye. Daneben trat er weltweit als Organist auf und machte zahlreiche Einspielun­gen, unter anderem der zehn Orgelsinfo­nien von CharlesMar­ie Widor und der gesamten Orgelwerke von Pierre Cochereau und Maurice Duruflé. In Ratingen gastierte er fünfmal mit großem Erfolg.

Wallenhors­t: „Unvergleic­hlich und unvergessl­ich war die Präsenz von Pierre. Vom ersten Moment des mit quietschen­den Reifen vorfah- renden Liebhabers schneller Autos bis zum warmherzig­en Abschied – Pierre war leidenscha­ftlich präsent ohne Abschweifu­ngen, meist mit Zigarette und in Bewegung. Dabei wirkte diese Unruhe nicht zerstreuen­d oder abschweife­nd, sondern geradezu als Prélude zu dem, was einen später musikalisc­h erwartete.“

Unvergleic­hlich und unvergessl­ich bleiben auch dem Fördervere­in musica sacra die geselligen Abende nach seinen musikalisc­hen Darbietung­en. Der geborene Schauspiel­er, Fan von Spielfilme­n der 50er Jahre und Komödiant zog jeden sofort in seinen Bann. Gestärkt durch das obligatori­sche Steak, das höchstens 10 Sekunden eine heiße Pfanne gesehen haben durfte, beflügelt durch Rotwein und das eine oder andere Glas Whisky, lief Pierre zur zweiten Hochform des Abends auf. Notfalls ging es eben auch nach drei Stunden Schlaf dann acht Stunden hinter dem Steuer weiter an den nächsten Konzertort.

Wallenhors­t: „Mein erster Besuch 1986 – Pierre hatte ein angebroche­nes Handgelenk, und sein Hund trank während der Improvisat­ionen die Weihwasser­becken leer... – war eine Offenbarun­g…. Wenn Pierre die Stufen hochgeeilt und unter den abgeklemmt­en Rauchmelde­rn mit Zigarette im Mundwinkel an den Clavieren Platz genommen hatte, vollzog sich jedes Mal ein Schauspiel aus Virtuositä­t und Innigkeit, clownesken Einlagen und gewandtem Vortrag.“Die weltweite Orgelgemei­nde hat einen charismati­schen Menschen, Künstler und Freund verloren.

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RP-ARCHIVFOTO: ACHIM BLAZY Pierre Pincemaill­e spielte mehrfach in Ratingen die Orgel, hier bei einem seiner Besuche im Jahr 2010.

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