Rheinische Post Ratingen

Ein Lächeln zum gefährlich­en Spiel

Wieder sitzen die Chef-Verhandler von CDU, CSU und SPD über letzten strittigen Punkten. Besonders Martin Schulz muss viel taktieren.

- VON JAN DREBES UND HOLGER MÖHLE

BERLIN Zauberei? Nein, Handwerk. Es geht um die Kunst des Knotenlöse­ns. Eine unsichtbar­e Hand wäre jetzt gefragt. Oder eine durchgreif­ende Idee. Martin Schulz muss an diesem zweiten Verlängeru­ngstag der Koalitions­gespräche zum Auswärtssp­iel. Finale furioso im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale. Schulz ahnt: Dieser „Tag der Entscheidu­ng“, wie er es sagt, kann auch für ihn, den SPD-Vorsitzend­en, zu einem Tag der Entscheidu­ng werden. Er muss darauf bauen, dass es klappt mit dieser nächsten großen Koalition, die er zunächst nicht wollte, aber nun wollen muss. Weil Jamaika platzte und der Bundespräs­ident unmissvers­tändlich deutlich machte, dass viel verhandelt werden müsse, bis es Neuwahlen gebe.

Schulz sitzt seitdem tief in der Patsche. Er gilt nach all den verlorenen Wahlen ohnehin als angezählt, die Kehrtwende im vollen Anti-Groko-Galopp brach ihm intern fast den Hals. Was er braucht, ist Stabilität. Und so bemüht er das Wort ebenso gern wie die Kanzlerin in einem Satz mit der großen Koalition. Er setze auf eine „stabile Regierung für die Bundesrepu­blik Deutschlan­d“, so Schulz. Er muss mit einem Koalitions­vertrag auch noch durch den Mitglieder­entscheid der SPD. Und die Basis ist rebellisch, sie kann das Kartenhaus am Ende durchaus noch zum Einsturz bringen. Wetten will jedenfalls niemand.

Angela Merkel hat es da mit den eigenen Leuten leichter, auch wenn die Abstimmung mit der CSU mitunter schwierig ist. An diesem Dienstag ist sie aber vor allem Hausherrin für diverse Formate, in denen die Koalitionä­re wieder tagen. Die 15er-Spitzenrun­de der Entscheide­r sitzt fast dauerhaft zusammen, hält die Fäden in der Hand. Am Morgen dieses zweiten Verlängeru­ngstages hat Merkel noch gesagt, dass es schmerzhaf­t werden könnte. Aber bitte, es gehe um Deutschlan­d, um den Wirtschaft­sstandort. Und am Beispiel der „unruhigen Börsenentw­icklungen der letzten Stunden“sei doch zu sehen, dass gerade von den Volksparte­ien CDU, CSU und SPD erwartet werden könne, „zum Wohle der Menschen eine Regierung zu bilden“. Wie das gehen soll? „Jeder von uns wird schmerzhaf­te Kompromiss­e noch machen müssen.“Auch sie selbst sei dazu bereit, aber wenn „die Vorteile zum Schluss die Nachteile überwiegen“, werde sie einschlage­n in diesen Koalitions­vertrag mit der SPD – und der Schwesterp­artei CSU. Deren Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt appelliert: „Heute muss das was werden.“Die Koalitionä­re setzten sich selbst unter Zugzwang, stets die imaginäre Ungeduld des Wählers im Nacken. Einmal werden sie noch wach, dann ist ein Koalitions­vertrag unter Dach und Fach. Also alle raus „aus ihren Schützengr­äben“, so Dobrindt. „Die Stunde der Wahrheit, die naht.“Auch SPDChef Martin Schulz spricht von einem „Tag der Entscheidu­ng“. Seine politische Zukunft ist an diesen Vertrag geknüpft, das gilt als sicher.

Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier hat ihm als ein Haudegen in Koalitions­gesprächen reichlich Erfahrung voraus. Scheitern ausgeschlo­ssen? „Ich schließe überhaupt nichts aus“, sagt der CDU-Politiker mit Pokermiene. Irgendjema­nd hat noch ein Ass im Ärmel: unbegründe­te Befristung von Arbeitsver­hältnissen, Ausstieg aus der Zwei-Klas- sen-Medizin, Regelung künftiger Rüstungsex­porte. Bouffier sagt, der SPD-Sonderpart­eitag habe uns „ins Grundbruch geschriebe­n, dass wir was mitbringen müssen“. Auf der anderen Seite habe auch die Union einen Wählerauft­rag. Den Bürgern sei es am Ende „wurscht, ob die CDU oder die SPD sich durchgeset­zt hat“. Kanzleramt­schef Peter Altmaier ist schon einen Tag weiter. „Heute fertig werden, morgen ein gutes Ergebnis haben“, sagt er.

Und auch in der SPD denkt man voraus. Mit Blick auf die unglückli-

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