Rheinische Post Ratingen

Darum wurde bei den Verhandlun­gen bis zuletzt gerungen

Befristete Jobs, Arzthonora­re für Kassenpati­enten, Rüstungsex­porte – zum Schluss gab es noch einige wenige, aber harte Knackpunkt­e.

- VON B. MARSCHALL UND G. MAYNTZ

BERLIN Bis zuletzt haben Union und SPD bei den Koalitions­verhandlun­gen versucht, Kompromiss­e in einigen wenigen Streitfrag­en zu finden. Dabei ging es darum, die Zahl befristete­r Jobs zu verringern, die Leistungen für Versichert­e in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV) zu verbessern und Rüstungsex­porte in Krisenregi­onen zu erschweren. Bis Redaktions­schluss waren Kompromiss­linien noch nicht bekannt. Allerdings wurde in Koalitions­kreisen nicht damit gerechnet, dass die Verhandlun­gen an diesen Knackpunkt­en noch scheitern könnten.

Die SPD hatte nach den Sondierung­en gefordert, die sogenannte sachgrundl­ose Befristung von Arbeitsver­trägen abzuschaff­en. Das sind Verträge, in denen der Arbeitgebe­r keinen Grund für eine Befristung angibt. Von der Abschaffun­g erhoffte sich die SPD, die Zahl befristete­r Jobs insgesamt zu senken. Von den 24- bis 35-Jährigen arbeitet etwa jeder Sechste befristet. Die Union lehnte die Abschaffun­g aber bisher ab, weil die Arbeitgebe­r dadurch ein Instrument zum flexiblen Einsatz von Arbeitskrä­ften verlieren. Ökonomen hatten gewarnt, dass der Wegfall sachgrundl­oser Befristung­en nicht eins zu eins durch solche mit Sachgrund oder durch Entfristun­gen kompensier­t würde. Da die frühere Arbeitsmin­isterin und heutige SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles mit am Tisch saß, wurde aber damit gerechnet, dass die SPD gerade bei diesem Punkt besonders hart bleiben würde.

Eine weitere Forderung der SPD, die Arzthonora­re für gesetzlich Krankenver­sicherte auf das Niveau der privaten Kassen anzuheben, um auf diese Weise die von der SPD beklagten Benachteil­igungen („ZweiKlasse­n-Medizin“) abzubauen, galt als weniger chancenrei­ch. Auch hier stellte sich die Union dagegen – auch wegen der Mehrkosten von etwa drei Milliarden Euro jährlich.

In der Außen- und Verteidigu­ngspolitik standen zum Schluss der Verhandlun­gen plötzlich auch aus diesem Bereich zwei Punkte einer Gesamt-Einigung im Weg: Die Union verlangte nun, bei Beschaffun­gsvorhaben für die Bundeswehr das Parlament erst bei größeren Summen zu beteiligen. Die Parteivors­it- zenden zogen zudem den umstritten­en Jemen-Passus an sich. Die Festlegung, dass die Regierung „ab sofort“keine Waffenexpo­rte mehr an Länder genehmigen würde, die am Jemen-Krieg beteiligt sind, hatte schon Streit bei den Sondierung­en vor dem SPD-Parteitag ausgelöst. SPD-Fraktionsv­ize Rolf Mützenich hatte die restriktiv­ere Rüstungsex­portpoliti­k in die Verhandlun­gen eingeführt. CDU und CSU wollten diese Festlegung verhindern, zumal sich anschließe­nd zeigte, dass die Regierung sich schwer tut, das Wort „beteiligen“im Zusammenha­ng mit dem Krieg zu definieren. So sind die Vereinigte­n Staaten zwar im Jemen mit Drohnen-Angriffen engagiert, die Regierung wertet diese schon aus der Zeit vor dem jüngsten Krieg stammenden Aktivitäte­n aber offenbar nicht als Unterstütz­ung des aktuellen Konflikts.

Aus den Arbeitsgru­ppen verlautete, dass beide streitig gestellten Festlegung­en nicht mehr von den Fachpoliti­kern geklärt, sondern allein von den Parteivors­itzenden entschiede­n werden sollen – offenkundi­g als Manövrierm­asse für das Entgegenko­mmen an anderer Stelle.

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