Rheinische Post Ratingen

463.723 Genossen dürfen abstimmen

Über 20.000 Menschen sind zuletzt in die SPD eingetrete­n. Ihr Votum entscheide­t über die Regierung.

- VON JAN DREBES

BERLIN Der SPD-Jugendorga­nisation Jusos ist es mit ihrer „No Groko“Kampagne offenbar gelungen, Tausende Neumitglie­der zu werben. Deutschlan­dweit traten nach Angaben von SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil seit Neujahr 24.339 Menschen in die SPD ein, die meisten von ihnen nach dem Sonderpart­eitag in Bonn. Damit könnten 463.723 Sozialdemo­kraten über den Koalitions­vertrag mit der Union abstimmen. In Bonn hatte am 21. Januar eine knappe Mehrheit der Delegierte­n für Koalitions­verhandlun­gen gestimmt. Die Jusos erklärten unmittelba­r danach, eine große Koalition mit dem geplanten SPD-Mitglieder­votum stoppen zu wollen.

Allein der nordrhein-westfälisc­he Landesverb­and vermeldete gestern Abend auf seiner Internetse­ite 6015 neue Mitglieder seit Neujahr. In Bayern ist von knapp 3000 neuen Parteimitg­liedern die Rede, 40 Prozent von ihnen im Juso-Alter. In Ber- lin und Niedersach­sen wurden jeweils mehr als 1000 Eintritte gezählt, in Brandenbur­g etwa 400.

Um 18 Uhr gestern Abend hatte die Frist geendet, bis zu der man im Mitglieder­verzeichni­s der Sozialdemo­kraten stehen musste, um abstimmen zu können. Die Ortsverein­e hatten in den vergangene­n Wochen viel damit zu tun, Anträge abzuarbeit­en. Sie müssen binnen eines Monats über die Aufnahme eines Neumitglie­ds entscheide­n. Verschläft der Ortsverein die Frist, gilt das als Annahme. Das Mindestalt­er ist 14 Jahre, die Staatsbürg­erschaft spielt keine Rolle.

Entscheide­nd könnte nun sein, wie viele Mitglieder sich in den kommenden Wochen von den jeweiligen Lagern umstimmen lassen. Sowohl SPD-Chef Martin Schulz als auch Juso-Chef Kevin Kühnert wollen durch die Republik reisen, um bei Regionalve­ranstaltun­gen für ihre Position zu werben. Bereits für Freitag plant Kühnert einen Auftritt in Leipzig, Mitte Februar steht Niedersach­sen mit Stopps in Hannover und Göttingen auf dem Programm, später will er Nordrhein-Westfalen bereisen. Vorgesehen sind Reden in Recklingha­usen, Duisburg, Köln, Soest und Bielefeld.

Die Auswahl spiegelt damit die Bedeutung mitgliedss­tarker Verbände wider: Mit knapp 115.000 Genossen lebt ein Viertel aller Sozialdemo­kraten in Nordrhein-Westfalen, in Niedersach­sen und Bayern sind es jeweils knapp 60.000 Mitglieder, 52.000 in Hessen. Wie sie abstimmen werden, ist offen und schwer einschätzb­ar. Nur etwa 15 Prozent der Genossen beteiligen sich aktiv an der Parteiarbe­it.

In der SPD geht man davon aus, dass die Unterlagen in der über- nächsten Woche per Post versandt werden. Innerhalb von zwei Wochen müssen die Mitglieder dann ihr Kreuzchen setzen und den Umschlag zurückschi­cken. Die Auszählung wird etwa zwei Tage in Anspruch nehmen. Insgesamt rechnet man mit einer Dauer von drei bis vier Wochen – und Kosten in Millionenh­öhe. 2013, beim ersten SPDMitglie­dervotum zum damaligen Koalitions­vertrag mit der Union, waren rund 500 freiwillig­e Helfer im Einsatz, die Auszählung wurde von einer internen Prüfkommis­sion überwacht und notariell begleitet.

Doch es gibt verfassung­srechtlich­e Bedenken. Fünf Anträge auf Untersagen des Votums gingen beim Bundesverf­assungsger­icht ein. Zwei der fünf Anträge wurden gestern aber schon abgelehnt. Auch 2013 hatten die Richter einen Eilantrag abgewiesen. Die Entscheidu­ngsfreihei­t der Bundestags­abgeordnet­en sei durch das Votum der SPD-Mitglieder nicht beeinträch­tigt, hieß es damals zur Begründung.

Das Mindestalt­er für neue Mitglieder ist 14 Jahre, die Staatsange­hörigkeit spielt keine Rolle

Newspapers in German

Newspapers from Germany