Die Ego-Schlacht
sammelt haben. Fündig wurde er in Nordrhein-Westfalen.
Am Donnerstagvormittag gab es eine Telefon-Konferenz, an der nach Informationen unserer Redaktion neben der gesamten Landtagsfraktion und der NRW-Gruppe der SPDBundestagsabgeordneten auch die Unterbezirks-Chefs der NRW-SPD beteiligt waren. Ein Teilnehmer berichtet: „Von den rund 100 Genossen hat sich kein Einziger hinter Schulz gestellt.“Im Gegenteil habe „unwidersprochen die Meinung vorgeherrscht, dass Schulz auf das Außenministeramt verzichten soll“, weil seine Personalie ansonsten die Debatte um den Koalitionsvertrag und den Mitgliederentscheid völlig überlagern und unmöglich machen würde. NRW-SPD-Chef Michael Groschek wusste das, er war Moderator der Runde. Dennoch verkündete er kurz danach vor Journalisten, es gebe keinen besseren Außenminister als Martin Schulz. Und verwies zugleich auf Schulz’ Glaubwürdigkeitsproblem.
Doch nun gerät Groschek selbst in Bedrängnis. Ein führendes Mitglied der NRW-SPD sagte gestern: „Wenn der Vorsitzende so weit weg von der Parteibasis ist, können wir uns das eigentlich nicht leisten.“Im September 2018 wählt die NRWSPD ihren Landesvorstand neu. Groschek, der gestern nicht zu erreichen war, hält sich bislang offen, ob er erneut kandidiert. In seinem Umfeld hieß es gestern, er sei sich bei der Pressekonferenz der Tatsache bewusst gewesen, dass die NRW-SPD nicht mehr hinter Schulz steht. „Aber Groschek wollte nicht der Königsmörder sein“, heißt es. Wenn es so war, liegt eine unangenehme Frage auf der Hand: War Groschek schlicht zu feige, um die Meinung seines Landesverbandes offensiv zu vertreten?
Selten wurde ein Koalitionsvertrag vom Juniorpartner so dominiert. Selten war die deutsche Sozialdemokratie, denen nur ein Fünftel der Wähler ihre Stimme gegeben hat, so einflussreich. Und was macht die SPD? Sie zerfleischt sich. Die wichtigsten Personen der vergangenen Jahre bekämpfen sich öffentlich. Das konnte nicht gutgehen. Martin Schulz hätte als Mann des Wortbruchs keine Autorität im Amt des Außenministers gehabt.
Deutschlands Rolle in der Welt wird wichtiger, Europa muss neu gedacht werden, die Rückkehr der Despoten und der Egotrip des USPräsidenten haben die Rufe nach einer starken Führungsrolle Europas lauter werden lassen. Ein Außenminister, dem in seiner Heimat Spott entgegenschlägt, wäre da keine gute Wahl. Peinlich genug, dass der SPDFührung, allen voran Andrea Nahles, dies nicht klar war, als ihr Schulz seine Pläne eröffnete. Auch Nahles ist nun beschädigt: Ihr Neustart als Parteivorsitzende beginnt mit einer beispiellosen Ego-Schlacht.
Sigmar Gabriel wird nun sein geliebtes Außenamt wohl behalten dürfen. Aber er muss sich fragen, ob die öffentliche Abrechnung mit Martin Schulz richtig war. In seiner klugen Rede auf dem Parteitag in Dresden 2009, bei dem Gabriel das Amt übernommen hat, rüttelte er die gedemütigten Genossen auf. Außerhalb der SPD interessierte sich keiner für Personaldebatten. Die Menschen hätten aber ein Gespür dafür, „ob wir das, was wir über eine tolerante, weltoffene und solidarische Gesellschaft erzählen, auch selbst vorleben“. Nun hat Gabriel diese Solidarität selbst aufgekündigt und in der blinden Wut gegen Schulz sogar seine Tochter ins Spiel gebracht. Man kann nur hoffen, dass er im Ministeramt besonnener agiert. Michael Bröcker