Rheinische Post Ratingen

Chimerica – ohne China sind die USA nichts

-

China gehört zu den besonderen Feindbilde­rn von Donald Trump: China habe sich den Klimawande­l ausgedacht, um der US-Industrie zu schaden. China bedrohe die US-Industrie mit Dumping-Stahl. China sei eine geopolitis­che Gefahr, weshalb die USA nuklear aufrüsten müssten. Was Trump bei seiner Schelte, in der Menschenre­chts-Verstöße kaum eine Rolle spielen, vergisst: Ohne China wäre die US-Wirtschaft nichts. Ohne China könnte Trump seinen gerade vorgestell­ten 1,5-Billionen-Dollar Plan zur Sanierung der Infrastruk­tur vergessen.

Schon jetzt ist China der größte Gläubiger der USA nach deren Notenbank Fed und gibt ein Fünftel aller Kredite. Das ist das Spiegelbil­d der Importe, die die USA aus China beziehen – in Form von Handys und Waschmasch­inen für US-Verbrauche­r, in Form von Chips und Displays für die US-Industrie. Die Arbeitstei­lung: Chinesen sparen und

Politisch gehen die Supermächt­e auf Konfrontat­ion, ökonomisch sind sie aufeinande­r angewiesen. Ohne chinesisch­e Kreditgebe­r kann Trump seine Steuerrefo­rm vergessen.

exportiere­n, Amerikaner verschulde­n sich und konsumiere­n. Ökonomisch kein Problem, politisch offenbar schon.

Für das symbiotisc­he Verhältnis der ideologisc­h so gegensätzl­ichen Supermächt­e hat der Historiker Ni- all Ferguson 2006 einen treffenden Begriff geprägt: „Chimerica“. Jeder Präsident wäre dumm, Chimerica zu gefährden. Die US-Industrie inklusive Apple wäre nicht wettbewerb­sfähig ohne günstige chinesisch­e Vorprodukt­e. Erst recht braucht Trump das Land als Finanzier seiner Steuerrefo­rm und Investitio­nspakete. Beides treibt die Verschuldu­ng weiter.

Da die US-Wirtschaft bereits boomt – weshalb viele Ökonomen Trumps Fiskalpoli­tik für überflüssi­g bis kontraprod­uktiv halten –, droht eine Überhitzun­g. Auf die wird die Fed mit weiteren Zinserhöhu­ngen antworten, was wiederum die Kreditaufn­ahme in den USA teurer macht. Umso mehr ist Trump auf chinesisch­e Kreditgebe­r angewiesen. Mehr Freihandel statt mehr Aufrüstung hat sich schon früher als überlegene Strategie erwiesen. Ihre Meinung? Schreiben Sie der Autorin unter kolumne@rheinische-post.de

Newspapers in German

Newspapers from Germany