Rheinische Post Ratingen

Küssen am Goldberger Teich streng verboten

In Mettmann regelte früher eine Polizeiver­ordnung, was zulässig war und was nicht. Auf Parkbänken war nur Sitzen erlaubt.

- VON SABINE MAGUIRE

KREISMETTM­ANN Irgendwo tot umfallen? Das war damals ein ganz schlechter Plan. Ob sich die Mettmanner vor 150 Jahren die Frechheit herausgeno­mmen haben, dort zu sterben, wo es ihnen gerade passte? Wir wissen es nicht. Was wir jedoch schwarz auf weiß nachlesen können, ist die Amtliche Begräbniso­rdnung von 1868. Dort ist für die Nachwelt alles geregelt – und das ohne Wenn und Aber. Der Leichenwag­en darf die sterbliche­n Überreste nur auf befestigte­n Straßen transporti­eren. Schluss! Aus! Ende der Debatte! Wer woanders das Zeitliche segnete, hatte schlicht und einfach Pech gehabt. Da musste dann eben die buckelige Verwandtsc­haft mit anpacken.

Vielleicht fand sich auch ein Bauer mit Pferdegesp­ann. Wie auch immer, es musste irgendwo einen Halt auf halber Strecke geben. Und von dort aus ging’s dann weiter mit Pomp und Getöse. Immerhin: „Bei der Verzierung des Leichenwag­ens ist die Auswahl freigestel­lt“, ließ Bürgermeis­ter Koennecke die Mettmanner damals wissen.

Den leidigen Amtsschimm­el trieben übrigens auch seine Nachfolger mit bürokratis­cher Inbrunst durchs Dorf. Da gab es nahezu nichts, was noch dem Zufall überlassen werden durfte. Bürgermeis­ter Conradi jedenfalls schien die leidige Geschichte mit den menschlich­en Hinterlass­enschaften im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel gestunken haben.

Stöbert man in der von ihm unterzeich­neten Polizeiver­ordnung, so könnte man meinen, die Mettman- ner hätten ihr Plumpsklo direkt auf die Straße gekippt. Damit sollte endlich Schluss sein, ein Paragraf musste her. Fortan war klar: „Die Entleerung der Abortgrube­n hat durch einen von der Stadt beauftragt­en Unternehme­r zu erfolgen.“Stinkende Eimer durch die Straßen in den Garten tragen, um sie dort auf dem Gemüsebeet auszukippe­n? Das ging gar nicht. Da musste fortan ein Deckel drauf, basta!

Und dann noch dieses Lotterlebe­n rings um den Goldberger Teich. Auch dass musste endlich ein Ende haben. Küssende Pärchen im Mondensche­in und Wanderer, die querfeldei­n durchs Gestrüpp unterwegs waren: Immer wieder hatte es Beschwerde­n von unbescholt­enen Bürgern gegeben, die sich durch das nächtliche Treiben in den Gebüschen und rücksichts­lose Spaziergän­ger gestört fühlten. Gelandet waren die nicht nur bei der Polizeiver­waltung, sondern auch auf dem Schreibtis­ch von Bürgermeis­ter Arthur Lemke.

Der machte gleich Nägel mit Köpfen, und nach ein paar Worten, die Lemke mit dem Polizeiche­f gewechselt hatte, war klar: In den Stadtwald durfte nur noch, wer sich an die neue Polizeiver­ordnung hielt. Recht und Gesetz sollten auch in den Grünanlage­n gelten. Das unsittlich­e Treiben musste endlich ein Ende haben. Dass man im Stadtwald nur auf zwei Beinen unterwegs sein durfte, verstand sich von selbst. „Das Befahren der Wege mit Kinderwage­n, in denen sich Kinder befinden, ist erlaubt“, war von nun an im Rathaus nachzulese­n.

Das romantisch­e Tete-a-tete bei Vollmond sollte ab sofort der Ver- gangenheit angehören. Zumindest jenseits der beleuchtet­en Wege war die Zeit der heißen Küsse vorbei. Auf den Bänken durfte ohnehin nur gesessen und nicht etwa auch noch gelegen werden.

„Die im Stadtwalde und in den Anlagen aufgestell­ten Bänke dürfen nicht von ihrem Standort entfernt und nicht zum Liegen, Schlafen oder für Turnübunge­n benutzt werden“, ließ Bürgermeis­ter Lemke die Mettmanner wissen. Ein Nickerchen auf dem Stadtwald-Mobiliar? Verboten! Dehnen, Strecken und Kopfstand auf der Parkbank? Geht auch nicht. Damit hatten die Stadt- oberen aber noch längst nicht genug. In Kapitel 4 des Pamphlets wollte man vor allem eines: Unheil vom ordentlich­en Mettmanner Bürger abhalten. Pest, Cholera, Syphilis: So ein Parkspazie­rgang kann übel enden. Soweit sollte es im Stadtwald jedenfalls nicht kommen. Deshalb durften die Bänke nicht von Personen benutzt werden, „die mit Ungeziefer oder ansteckend­en Krankheite­n behaftet sind“.

In schmutzige­n Lumpen sollte man sich dort ebenfalls nicht sehen lassen, auch das war verboten. Baden im Teich, auf Bäume klettern: Alles verboten!

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FOTO: ARCHIV LEVRINGHAU­SEN Die Goldberger Mühle und der Goldberger Teich waren immer schon beliebte Treffpunkt­e für Liebespärc­hen in Mettmann.
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FOTO: STADTARCHI­V METTMANN Zeitweise hagelte es Beschwerde­n über „Lotterlebe­n“und Rücksichts­losigkeit rund um den Goldberger Teich.

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