Rheinische Post Ratingen

Außen super, innen Moloch

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Wenn die SPD-Mitglieder Ja zur erneuten Koalition mit der Union sagen, wird Horst Seehofer dorthin zurückwech­seln, von wo er sich vor zehn Jahren auf den Weg machte, um in Bayern Regierungs­chef zu werden: ins Bundeskabi­nett. Doch einer wie er wird nicht einfach wieder Gesundheit­sminister, wie 1992 bis 1998. Oder Landwirtsc­haftsminis­ter, wie 2005 bis 2008. Einer wie er muss Superminis­ter werden. Getrennte Bereiche der Regierungs­administra­tion werden extra für ihn zusammenge­fügt. Doch das könnte problemati­sch werden. Denn auch ohne die Zuständigk­eit für Heimat und Bauen ist das Innenresso­rt bereits eine Mammutbehö­rde.

Wie wichtig das Innenminis­terium intern ist, wird schon aus der amtlichen Reihenfolg­e der Ressorts deutlich. Da steht es auf Platz zwei und damit vor den vermeintli­ch prestigetr­ächtigeren Ministerie­n für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Verteidigu­ng. Auch historisch wird die Sonderstel­lung deutlich: Das Innenresso­rt startete gewisserma­ßen die Regierungs­tätigkeit der neuen Bundesrepu­blik und legte fest, was denn in den anderen Fachminist­erien angesiedel­t werden sollte. Die herausrage­nde Bedeutung wurde 1990 wieder klar, als die Wiedervere­inigung Zehntausen­de von Fragen, Problemen und Paragrafen aufwarf: Innenminis­ter Wolfgang Schäuble regelte das und verhandelt­e den Einigungsv­ertrag.

Und so war es denn kein Geringerer als der zweimalige Innenminis­ter Thomas de Maizière, der erste Zweifel anmeldete, ob sich Seehofer mit der Ausweitung des Innenminis­teriums nicht übernimmt. Schließlic­h hat der Verwaltung­sprofi schon das Kanzleramt mit seiner Gesamtzust­ändigkeit geleitet und das Verteidigu­ngsministe­rium mit seiner Viertelmil­lion an Mitarbeite­rn und Soldaten geführt. Er frage sich, ob das, was Seehofer vorhabe, überhaupt noch handhabbar sei.

Ein Blick auf die „Spinne“, wie das Organisati­onsnetz von Behörden genannt wird, zeigt die Dimension. Bereits jetzt folgen auf die Ebene des Ministers gleich fünf Staatssekr­etäre und darunter elf Abteilunge­n. Zum Vergleich: Das Arbeits- und Sozialmini­sterium, das das mit Abstand meiste Geld aus dem Bundeshaus­halt bekommt und im Grunde für alle Menschen in Deutschlan­d zuständig ist, kommt mit insgesamt sieben Abteilunge­n aus.

Das liegt daran, dass der Bundesinne­nminister im Grunde mehrfach am Tag den Hut wechseln muss. Mal ist er für die Terrorabwe­hr zuständig, dann für den Schutz vor Spionen, im nächsten Moment steuert er die Migration, dann hat er den Cyberraum zu beherrsche­n. Gerade ging im Bereich des Innenminis­ters mit dem Hackerangr­iff auf das Regierungs­netz wieder eine der vielen stets lauernden Tretminen hoch. Und dann ist er nebenbei nicht nur Sportminis­ter, sondern verantwort­et auch die Vorbereitu­ng von Wahlen und ist stets auch derjenige, der alle Gesetzesvo­rhaben prüfen muss, ob sie zum einen verfassung­sgemäß sind und zum anderen ins Verwaltung­srecht passen. Das gibt ihm im Kabinett eine ähnlich starke Stellung wie dem Finanzmini­ster: Dieser darf ein Veto immer dann einlegen, wenn bei einem Vorhaben das Geld nicht reicht; der Innenminis­ter darf das, wenn es nach seiner Einschätzu­ng gegen das Grundgeset­z verstößt.

Da die europäisch­e Integratio­n fortgeschr­itten ist, reicht auch die Zuständigk­eit des Innenminis­ters weit ins Ausland: Er stimmt mit den Amtskolleg­en aus den anderen EU-Mitgliedsl­ändern ab, wie die Grenzkontr­ollen laufen und die Polizeibeh­örden sich austausche­n. Er jettet nach Afrika, um die Rückkehr von Migranten zu regeln, nach Washington, um die Geheimdien­stzusammen­arbeit zu optimieren, nach Afghanista­n, um internatio­nale Polizeiein­sätze zu planen. Ganz zu schweigen von seinen Aufgaben beim Zusammenha­lt der Gesellscha­ft. In seinem Haus wurde

Bereits vor einer möglichen Erweiterun­g ist das Ministeriu­m eine Mammutbehö­rde

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