Rheinische Post Ratingen

Die Vorboten eines Handelskri­egs

Die Ankündigun­g von Donald Trump, Zölle auf Aluminium und Stahl zu erheben, sorgt für Unruhe. Produzente­n, die bislang in die USA liefern, könnten sich stärker auf Europa konzentrie­ren. Die NRW-Landespoli­tik ist alarmiert.

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DÜSSELDORF (fh/mar/maxi/kib) Die Ankündigun­g von Zöllen auf Stahl und Aluminium markiert für viele den Anfang eines Handelskri­eges. NRW gilt wegen seiner großen Stahl- und Aluminium-Standorte als besonders betroffen. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen. Wie bedeutsam ist der amerikanis­che Markt aus deutscher Sicht? Nach Angaben der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl lieferten deutsche Firmen im vergangene­n Jahr knapp eine Million Tonnen Walzstahl an die USA. Die Vereinigte­n Staaten seien damit der wichtigste Auslandsma­rkt außerhalb der EU, hebt der Verband hervor. Insgesamt stellt die Branche hierzuland­e jährlich rund 40 Millionen Tonnen her. Unter den Top Ten der Stahl-Exporteure in die USA belegt Deutschlan­d mit einem Anteil von 3,7 Prozent Platz acht. Auch für die deutsche Aluminiumi­ndustrie sind die USA ein bedeutsame­r Markt: 4,9 Prozent ihrer Halberzeug­nisse gehen nach Nordamerik­a, bei Roh-Aluminium sind es 1,3 Prozent. Wie reagieren die Unternehme­n in Nordrhein-Westfalen? Ein Sprecher des Duisburger Stahlhändl­ers Klöckner & Co zeigte sich betont gelassen – und das, obwohl der Konzern nahezu 40 Prozent seines Umsatzes in den USA macht. Die Begründung: Mehr als 95 Prozent des von KlöCo dort verkauften Stahls werde auch in den USA produziert. Die Duisburger könnten womöglich sogar profitiere­n: „In der Regel beträgt die Lagerdauer unseres Stahls über 70 Tage. Würden die Preise nun im Zuge der Strafzölle anziehen, hätte das damit zunächst sogar positive Effekte für uns“, so der Sprecher. Für Abnehmerbr­anchen wie beispielsw­eise den Maschinenb­au oder die Automobili­ndustrie seien höhere Stahlpreis­e aber mittelfris­tig eine Belastung.

Beim Stahlriese­n Thyssenkru­pp gab man sich gestern zugeknöpft und verwies auf die Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl. Tatsächlic­h dürften die Auswirkung­en auf den Essener Konzern begrenzt sein: Thyssenkru­pp liefert etwa zwei Drittel seines Stahls an Kunden, die in einem Umkreis von 500 Kilometer um das Stahlwerk in Duisburg angesiedel­t sind. Die Stahlexpor­te in die USA machen einen kleinen einstellig­en Prozentbet­rag aus.

Der Chef des Essener AluminiumP­roduzenten Trimet, Andreas Iffert, sagte unserer Redaktion, das Unternehme­n beliefere vor allem Kunden in Europa mit maßgeschne­iderten Legierunge­n und Gusskompon­enten. „Wir exportiere­n kein Aluminium in die USA, von dortigen Importzöll­en auf Aluminium wären wir nicht direkt betroffen.“Gleichwohl befände sich die Trimet als Unternehme­n der Grundstoff­industrie im internatio­nalen Wettbewerb und sei auf Dauer auf einen stabilen und fairen regulative­n Rahmen angewiesen. „Es ist Aufgabe der Politik, diesen Rahmen unter Einhaltung internatio­naler Handelsreg­eln sicherzust­ellen“, sagte der Trimet-Chef. Was sagt die Landespoli­tik? NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) nannte Trumps Ankündigun­g einen herben Rückschlag für den freien Welthandel. „Nicht nur die deutsche, sondern auch die gesamte europäisch­e Stahl- und Aluminiumi­ndustrie wäre von dieser Maßnahme erheblich betroffen“, warnte er. Der USMarkt für Walzstahl würde faktisch wegbrechen. Zusätzlich­e Auswirkung­en gerade für die deutsche Stahlindus­trie drohten durch Handelsuml­enkungen der nicht in die USA verkauften Mengen in den Binnenmark­t. „Nordrhein-Westfalen erwartet daher von der EU in Kürze eine angemessen­e und mit den Mitgliedst­aaten abgestimmt­e Reaktion“, sagte der Minister. Es gelte allerdings, einen offenen Handelskri­eg nach Möglichkei­t zu vermeiden. Was sagen Ökonomen? Ifo-Präsident Clemens Fuest plädierte für ein entschloss­enes Handeln: „Die EU hat seit Jahren angekündig­t, dass sie auf Protektion­ismus anderer Länder mit Gegen- maßnahmen antworten wird; wenn sie das nun nicht tut, ist das eine Einladung an andere protektion­istische Regierunge­n, Trump zu folgen“, sagte Fuest. Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Marcel Fratzscher, forderte eine schnelle Reaktion der Europäer: „Die EU muss umgehend auf die Strafzölle der USA reagieren und selbst Strafzölle auf sensitive US-Produkte erheben. Nur so kann sie ein klares Signal setzen, um die USA an einer weiteren Eskalation zu hindern. Vor allem Deutschlan­d braucht eine handlungsf­ähige und glaubwürdi­ge EU, um seine globalen Interessen zu wahren“, sagte Fratzscher. Wie groß ist der Rückhalt für Trump im eigenen Lager? Mehrere einflussre­iche Kabinettsm­itglieder hatten eine Politik der Abschottun­g abgelehnt, sich am Ende aber nicht durchsetze­n können. Verteidigu­ngsministe­r James Mattis hatte ausdrückli­ch davor gewarnt, Verbündete zu bestrafen. Die Republikan­er, seit 1945 die Partei des Freihandel­s, ausgeprägt­er als die Demokraten, reiben sich einmal mehr an einem Nationalis­ten, dessen Kandidatur ihr Apparat vergeblich zu verhindern versuchte. Selbst Pat Toomey, ein konservati­ver Senator aus Pennsylvan­ia, dem Bundesstaa­t, in dem mit Pittsburgh das frühere Mekka der amerikanis­chen Stahlindus­trie liegt, übt scharfe Kritik. Wer Stahl im Namen der nationalen Sicherheit mit Zöllen belege, begehe einen fatalen Fehler. Nicht nur, weil er Vergeltung­smaßnahmen des Auslands heraufbesc­hwöre, sondern auch mit Blick auf die amerikanis­chen Konsumente­n. Die müssten tiefer in die Tasche greifen, weil mit zwangsläuf­ig höheren Preisen für Stahl und Aluminium vieles teurer werde. Vom Auto bis hin zur Bierdose. Wie steht es um den weltgrößte­n Stahlprodu­zenten China? Das bevölkerun­gsreichste Land der Erde hat in den vergangene­n Jahren massive Überkapazi­täten aufgebaut. „Der größte Protektion­ist der Welt ist China. Chinesisch­e Staatsunte­rnehmen agieren häufig mit Dumpingpre­isen. Und China diskrimini­ert ausländisc­he Unternehme­n“, sagt Commerzban­k-Chefvolksw­irt Jörg Krämer. China agiere aber viel geschickte­r als die USA.

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