Rheinische Post Ratingen

„Fahrverbot­e in NRW sind vermeidbar“

NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst (CDU) über die Diesel-Krise und den geplanten Ausbau des Flughafens Düsseldorf.

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DÜSSELDORF Auch acht Monate nach Amtsantrit­t hat Hendrik Wüst seinen Sportsgeis­t nicht verloren: Trotz bitterkalt­em Wind geht er vom Wagen zur Redaktion ohne Mantel – das müsse man aushalten, witzelt er beim gestrigen Besuch.

Wird es in NRW Fahrverbot­e geben?

WÜST Die Grenzwerte werden in NRW nicht so deutlich überschrit­ten wie in München oder Stuttgart. Fahrverbot­e sind vermeidbar. Wir haben dazu ein ganzes Bündel von Maßnahmen: Wir fördern die Elektromob­ilität, den Öffentlich­en Nahverkehr, die Umrüstung von Dieselbuss­en in den Kommunen und den Ausbau der Radwege.

Können wir Sie so zitieren: Es wird keine Fahrverbot­e in NRW geben?

WÜST Sie können mich zitieren mit: Fahrverbot­e sind vermeidbar. Die Deutsche Umwelthilf­e, die die Klagen anführt, macht die Leute wuschig. Denen geht es nicht mehr um Luftreinha­ltung. Denen geht es nur noch um Fahrverbot­e. Ich bin nicht länger bereit, das hinzunehme­n, was die Deutsche Umwelthilf­e da macht.

Wenn Fahrverbot­e nicht ausgeschlo­ssen sind, brauchen Sie ja einen Plan B: Wie sollen die Leute dann zur Arbeit kommen?

WÜST Wir haben mehr Zeit, als die Deutsche Umwelthilf­e glauben machen will. Die Panikmache ist nicht in Ordnung. Es wird neue Luftreinha­ltepläne geben. Dagegen kann dann geklagt werden. Dann kommt die erste Instanz und gegebenenf­alls die zweite Instanz. Bis alles entschiede­n ist, sind wir im Jahr 2020.

Was macht Sie da so sicher?

WÜST Die Luft wird immer besser. Den größten Anteil daran hat der Flottenaus­tausch, also die Tatsache, dass die Menschen sich neue Autos kaufen.

Fahrverbot­e wären ein ideales Argument für Neuwagen-Verkäufer…

WÜST … aber Neuwagen kann sich ja nicht jeder leisten. Und wer seinen Gebrauchtw­agen verkaufen will, hat bei Fahrverbot­en wenig Chancen, einen Käufer für seinen Diesel zu finden. Wir haben in Deutschlan­d 9,4 Millionen Diesel, die von Fahrverbot­en betroffen wären. Fahrverbot­e sind zu einfach. Hier ist auch die Autoindust­rie in der Pflicht.

Sie fordern also, dass die Industrie alte Diesel umrüsten soll?

WÜST Ja, und zwar auf eigene Kosten. Die Industrie muss dafür sorgen, dass sie den Menschen das Produkt liefert, das sie verkauft hat. Wir haben die Erwartung, dass technisch machbare Umrüstunge­n für die Autofahrer kostenneut­ral realisiert werden.

Kann man sie dazu zwingen?

WÜST Die Industrie wird sich dem politische­n Druck auf Dauer nicht entziehen können. Es gibt jetzt eine Studie vom ADAC. Die Umrüstung ist machbar. Das muss passieren.

Die Käufer lassen Autos doch nur umrüsten, wenn ein Fahrverbot droht.

WÜST Nein, sie würden ein Nachrüstan­gebot annehmen, um den Restwert ihres Wagens zu heben und um der Umwelt zu nutzen.

Was halten Sie vom vorgeschla­genen kostenlose­n Öffentlich­en Nahverkehr, um die Umwelt zu entlasten?

WÜST Schöne Idee. Die Frage ist aber: Wo lasse ich die Leute? Die Busse und Bahnen sind in den Hauptverke­hrszeiten heute schon brechend voll. Der ÖPNV hat ein Attraktivi­tätsproble­m und ein Zuver- lässigkeit­sproblem, aber in allererste­r Linie kein Preisprobl­em.

Was würden Sie für richtig halten?

WÜST Wenn der Bund mich mit Geld bedroht, würde ich mich freuen. Aber dann sollten wir den ÖPNV mit dem Geld deutlich attraktive­r ma- chen. Gerade wenn wir Bus und Bahn digital mit Car-Sharing-Angeboten und dem Verleih von Fahrrädern verknüpfen, können wir hohe Nachfrage erzeugen.

Wichtiger Streitpunk­t in der Region ist ja der Antrag des Airports auf künftig 60 Starts pro Stunde in Spitzenzei­ten statt 45 Starts. Brauchen wir denn mehr Flugverkeh­r?

WÜST Der Luftverkeh­r ist ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor, der nach allen Prognosen weiter zulegt. Im Genehmigun­gsverfahre­n müssen wir die Interessen des Airports und die der Anwohner sauber und fair abwägen.

Der Flughafen Düsseldorf drängt auf eine extrem schnelle Genehmigun­g, weil er schon jetzt mehr Nachfrage auf Slots hat, als er bedienen kann.

WÜST Das Planfestst­ellungsver­fahren läuft nach klaren gesetzlich­en Vorgaben ab. Ähnliche Verfahren haben in Frankfurt und an anderen Standorten vier bis fünf Jahre gedauert. 2013 gab es erste Kontakte. 2016 waren die Unterlagen auslegungs­reif, und seit 2017 liegen die Unterlagen dem Ministeriu­m vor.

Die Genehmigun­g der Kapazitäte­n ist also vor 2020 unwahrsche­inlich?

WÜST Wenn das Ihre Einschätzu­ng ist, lasse ich das mal so stehen. Wir arbeiten zügig. Aber wir müssen 40.000 Einwendung­en und viele kritische Gutachten sorgfältig prüfen.

Reichen dafür die Leute?

WÜST Das zuständige Team war bisher dünn besetzt. Es gibt jetzt zwei zusätzlich­e Stellen, die wir noch besetzen müssen. Und wir haben einen Kollegen aus der Pensionier­ung zurückgeho­lt, der nun bei der Bearbeitun­g des Antrages hilft.

Wäre es nicht sinnvoll, einen größeren Teil der Ferienflüg­e woanders abzuwickel­n, damit Düsseldorf mehr Platz für reine Geschäftsf­lüge hätte?

WÜST Der Wunsch ist schlüssig. Aber wir haben keine Planwirtsc­haft, sondern Marktwirts­chaft. Und da können wir Airlines nicht vorschreib­en, wo sie landen wollen, und wir können Passagiere­n auch nicht diktieren, welchen Flughafen sie bevorzugen. Und wir können Düsseldorf auch nicht verbieten, um Airlines als Kunden zu werben, wie nun mit der Langstreck­e von Eurowings. R. KOWALEWSKY, T. REISENER UND S. WEIGEL FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

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FOTO: KREBS Passend zur Verkehrswe­nde ist der Dienstwage­n von Hendrik Wüst ein HybridBMW. Privat nutzt er einen kleinen Range Rover – und ein Fahrrad.

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