Rheinische Post Ratingen

Im Dschungel darf geraucht werden

Neun Künstler zeigen in der Kunsthalle Werke zur Gegenwart. „Welcome to the Jungle“ist ab heute zu sehen.

- VON NATALIE URBIG

In der Kunsthalle riecht es nach kaltem Rauch. Die Quelle ist schnell ausgemacht: Haufenweis­e Pfeifen hängen dort an einer weißen Wand. Einen Menschen sieht man zwar nicht, dafür aber zwei Hände, die in ständiger Bewegung sind. Flink drehen sie erst eine Zigarette, dann stopfen sie Tabak in eine Pfeife. „Wer möchte, darf hier rauchen“, sagt Kuratorin Jasmina Merz. Sie deutet auf einen großen Sockel, auf dem sich feiner Staub türmt. „Und das ist der Aschenbech­er.“

All das gehört zu der Installati­on „Fumoir“der brasiliani­schen Künstlerin Laura Lima. Das Rau- chen hat in der Kulturgesc­hichte eine lange, vielfältig­e Tradition: So sind Pfeifen aus verschiede­nen Kulturen und Jahrzehnte­n zu sehen. Gleichzeit­ig spielt die Installati­on mit Normen und Regelwerke­n, indem sie die Besucher einlädt, im öffentlich­en Raum zu rauchen. „Laura Lima ist immer wieder erstaunt, wie wenige Menschen die Möglichkei­ten nutzen“, erzählt Jasmina Merz, „sie scheinen die Regeln schon verinnerli­cht zu haben.“

Die performati­ve Installati­on ist eine der Arbeiten, die ab heute in der Kunsthalle unter dem Titel „Welcome to the Jungle“zu sehen sind. Der Dschungel ist dabei metaphoris­ch zu verstehen – als ein Ort, in dem die Orientieru­ng verlorenge­ht und keine vielverspr­echende Richtung gefunden werden kann. Aber auch als ein Dickicht, in dem massenhaft­e Informatio­nen, Halbwahrhe­iten und Paradoxien Fragen aufwerfen, wie man selbst eigentlich leben möchte.

Die Kuratorinn­en Jasmina Merz und Anna Lena Seiser haben gemerkt, wie viele Künstler sich mit dieser Thematik beschäftig­en, und für die Ausstellun­g neun junge internatio­nale Künstler ausgewählt. Herausgeko­mmen ist eine große Vielfalt an Arbeiten: Videoinsta­llationen, ortsspezif­ische Werke, Performanc­es und raumgreife­nde Inszenieru­ngen können von Besuchern auf den beiden Etagen der Kunsthalle entdeckt werden. Der deutsche Videokünst­ler Mario Pfeifer war in Brasilien und zeigt in einem 40-minütigen Film drei verschiede­ne Glaubensri­chtungen in Brasilien. Augenblick­lich löst er die Frage danach aus, an was wir heute glauben. Gleich darunter hat Cinthia Marcelle einen Gitterrost ausgelegt; gehen Besucher darüber, treten sie auf Steine – die Gehgewohnh­eiten werden gestört, der Mensch ins Wanken gebracht.

Um die Installati­on von Alvaro Urbano zu sehen, muss man einen neuen Raum betreten und steht zunächst in einem Flur. Beklemmend ist die Stimmung, die einen dort empfängt. Ein langer kahler Gang mit schlecht verputzten Wänden, Zigaretten­kippen auf dem Boden und ungeöffnet­en Briefen. Der Flur endet in einem Büro. Papiere liegen dort, eine Pflanze verliert ihre Blätter. Und doch ist nichts so, wie es scheint. Denn Alvaro Urbano spielt mit den Materialie­n, das Papier ist aus Metall, die Metalltüre­n aus Papier. Mit der Sinnsuche beschäftig­t sich die chinesisch­e Künstlerin Liu Shiyuan, die in Dänemark lebt und ihre Identität hinterfrag­e. Sie listet in einem großen Teppich Weisheiten auf, die sich als sinnentlee­rte Sprüche erweisen.

Diskussion­en dürfte die Arbeit der Düsseldorf­er Künstlerin Kristi- na Buch auslösen – drei Jahre lang lebte sie mit einem Huhn zusammen. Zugelegt hatte sie es sich zunächst für ein Kunstproje­kt, in dessen Anschluss das Huhn als Bouillon mit den Besuchern verspeist werden sollte.

Doch gab es moralische Bedenken, die Ausstellun­g wurde abgesagt. Verfolgt hat sie das Projekt weiter, wie es ausgegange­n ist, ist in ihrer Arbeit „One of the things that baffles me about you is that you remain unmurdered“. Auch der Kunstverei­n für die Rheinlande und Westfalen eröffnet heute in der Kunsthalle die Ausstellun­g „Boiling Frogs“von der Künstlerin Kasia Fudakowski.

„Welcome to the Jungle“stellt ohne moralische­n Fingerzeig Skurrilitä­ten und Fragen der Gegenwart dar, die manchmal bedrücken, aber auch schmunzeln lassen. „Mit Weltschmer­z soll hier niemand hinausgehe­n“, sagt Anna Lena Seiser.

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FOTO: KUNSTHALLE Sprüche, die Halt geben sollen, webt die Künstlerin Liu Shiyan in ihrer Arbeit „This Way or that Way“zu einem riesigen Teppich. Das Ergebnis: Die vermeintli­chen Weisheiten laufen gegen die Wand.
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FOTO:UBG In der Installati­on „Fumoir“von Laura Lima darf geraucht werden. Flinke Hände drehen Zigaretten, stopfen Pfeifen und bieten sie den Besuchern an.

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