Letzte Ausfahrt Antarktis
Jella Haase spielt in der Komödie „Vielmachglas“eine Aussteigerin.
(dpa) Muss man bis in die Antarktis reisen, um zu sich selbst zu finden? Ja, bei Marleen, Anfang 20, antriebsschwach, nicht gerade mit üppigem Selbstbewusstsein ausgestattet, lang genug gefrustet, ist das so. Und dafür investiert sie alles, was sie hat. Acht Euro. Via Hamburg will sie in die eisige Wildnis schippern. Einen öde dahinplätschernden Alltag hinter sich lassen – und vor allem: einen schmerzhaften Verlust verarbeiten. Jella Haase („Fack ju Göhte“) verkörpert die Nörglerin, die es erst nicht aus ihrem Schneckenhaus schafft und für die es dann plötzlich nicht weit genug sein kann. Matthias Schweighöfer spielt ihren großen Bruder Erik.
Der kommt diesmal in Rasta-Locken und mit Tattoos auf die Leinwand. Den Titel des neuen Films liefert das „Vielmachglas“, das Erik seinem Schwesterherz in die Hand drückt. Jedes Abenteuer, jeden Anflug von Mut soll Marleen auf einen Zettel notieren. Dieser wandert nicht in ein Einmachglas, sondern in üppiger Zahl ins Vielmachglas, rät der Bruder, quasi ihr Gegenentwurf, quirlig, dauernd unterwegs weltweit. Schwindet die gerade zaghaft gewachsene Courage wieder, soll das gefüllte Glas sie aufbauen.
Doch dann kommt Erik bei einem Autounfall ums Leben, Marleen saß hinterm Steuer, sie fühlt sich schuldig. An Eriks Stelle will sie in die Ant- arktis. Schweighöfer – mit 36 Jahren schon mehr als sein halbes Leben im Filmgeschäft – ist zugleich MitProduzent der Komödie, die auch tieftraurige Momente hat.
Marleens Reise wird natürlich zum Chaos pur. Sie trifft auf die ausgeflippte Youtuberin Zoe, auf einen Lastwagenfahrer mit Tiger im Gepäck, eine Ziege kreuzt ihren Weg. Ebenso wie eine Busgruppe anstrengender Omas. Marleen legt sich mit Bikern an, macht nach einer Schlägerei einen unfreiwilligen Zwischenstopp in einer Arrestzelle und lernt natürlich einen Supertypen kennen. Ben (Marc Benjamin), verständnisvoll, sanft, gutaussehend. Er ist im Campingbus Richtung Norden unterwegs – da passt alles.
Der Film hat zwischendurch ziemlich langatmige Abschnitte, die Dialoge sind oft nicht gerade geistreich, insgesamt eher eine oberflächliche Darbietung. Die Geschichte hat viel Vorhersehbares. Uwe Ochsenknecht und Juliane Köhler müssen sich als Eltern mit kleinen Randrollen begnügen. Jella Haase liegt das „Trallala“nicht, sie überzeugt, wenn Marleen verzweifelt und am Boden ist. Vielmachglas, Deutschland 2018 – Regie Florian Ross, mit Jella Haase, Marc Benjamin, Matthias Schweighöfer, Juliane Köhler, Uwe Ochsenknecht, 89 Min.