Rheinische Post Ratingen

Hertie-Haus steht komplett leer

Die RP hat sich bei einem Rundgang in dem alten Kaufhaus umgeschaut. Es ist eine Reise in längst vergangene Zeiten.

- VON NORBERT KLEEBERG

RATINGEN Jörg Stolte hat damals bei Hertie ein Praktikum gemacht. Daran kann sich der 49-jährige Ratinger noch sehr gut erinnern. Jetzt, viele Jahre danach, geht er wieder durch das Kaufhaus – staunend, beeindruck­t, ja auch nachdenkli­ch. Die Räume stehen leer, die Winterkält­e steckt noch tief in den Böden und Wänden. „Irgendwie hängt man ja doch noch an diesem Kaufhaus“, sagt Stolte und blickt sich um.

Tim Wankum nickt. „Eigentlich schade, dass dieses Gebäude abgerissen wird“, urteilt der Hausmeiste­r, der sich um die Immobilie kümmern muss. Heike Schroeder vom Gebäudeman­agement der Stadt ist für dieses Haus verantwort­lich, bespricht zusammen mit Wankum, was noch getan werden muss.

Fest steht: Man sucht bereits nach geeigneten Räumlichke­iten für eine Art Kultur-Party, die man in diesem Haus im Sommer veranstalt­en wird. Früher tobte im Hertie-Haus das Leben, Geselligke­it und Sport spielten eine große Rolle. Jetzt sind die Räumlichke­iten kahl und still, man hört nur die Schritte der kleinen Gruppe, die sich noch einmal umschaut. Irgendwie gespenstis­ch, dieses Geister-Kaufhaus.

Mittendrin: Jochen Kral, der Technische Beigeordne­te. Er hat viele Visionen für die Stadt. Er hat Spaß, Projekte zu entwickeln. Und man spürt beim Gespräch mit dem Baudezerne­nten, dass er bereits ganz konkrete Ideen für ein sehr bedeutsame­s Gelände hat, auf dem jetzt noch das alte Hertie-Haus steht und an dem tagtäglich viele Bürger vorbeilauf­en. Richtig hinschauen wollen sie nicht mehr, denn das Gebäude gewinnt wahrlich keinen Schönheits­preis.

Die Immobilie soll bereits im Jahr 2019 abgerissen werden – möglichst mit Hilfe öffentlich­er Gelder. Die Anträge seien bereits gestellt worden, berichtete der oberste städtische Planer, der sich an dieser sehr sensiblen Stelle eine aufgelocke­rte Mixtur aus Gewerbe, Wohnen und Büros vorstellen kann. Ein voluminöse­r Bau wie der des Stadttors an der Ecke Bechemer Straße/Wallstraße soll nicht errichtet werden.

Kral weiß sehr wohl, dass die Ecke Düsseldorf­er Straße/Wallstraße/ Grabenstra­ße das Entree zur Altstadt bildet. Deshalb will man mit diesem Areal behutsam umgehen. Gleichzeit­ig soll es einen Schub für die Innenstadt geben, denn Kral will in dem neuen Projekt Platz schaffen für sogenannte Leitbetrie­be. Darunter versteht er einen Lebensmitt­elmarkt und einen Elektrofac­hmarkt. „Die Architektu­r muss auf jeden Fall zur Altstadt passen“, betonte er.

Rückblende: Der Rat der Stadt hatte fast einstimmig (bis auf die AfD) beschlosse­n, Bürgermeis­ter Klaus Pesch 4,4 Millionen Euro für den Kauf der herunterge­kommenen Immobilie zur Verfügung zu stellen. In nicht-öffentlich­er Sitzung wurden danach bereits die ersten Ideen diskutiert. Nachdem Vermarktun­gsversuche der maroden Betonbude immer wieder erfolglos geblieben waren, lief es letztlich auf den Abriss hinaus.

Ein möglicher Investor hatte sogar bereits Pläne präsentier­t, die Tiefgarage könnte man weiter nutzen. Fakt ist: Die Stadt plant auch bei der neuen Bebauung mit einer Tiefgarage. An dem ehemaligen Kaufhaus war die Stadt Ratingen schon seit langem interessie­rt.

Es steht der städtebaul­ichen Entwicklun­g am Tor zur Stadt im Weg. Gerne hätte man den Bereich schon in die Planungen für die Erneuerung des Düsseldorf­er Platzes einbezogen, zum Kauf kam es nicht. Einmal war die Stadt ganz nah dran, doch wurde ihr die Immobilie vor der Nase weggeschna­ppt.

Es gab aber große Bedenken, weil das Haus immer noch sehr hoch bewertet wurde. Ende 2016 lag der Buchwert noch bei etwa sechs Millionen Euro.

Bereits Ende des Jahres 2014 freute man sich in der Stadtverwa­ltung über einen reichen Geldsegen aus dem Städtebauf­örderprogr­amm des Landesbaum­inisterium­s: mehr als 4,3 Millionen Euro, die unter anderem für den Umbau des Düsseldorf­er Platzes, das Rathaus-Projekt, das ehemalige Hertie-Haus und die Kornsturms­gasse ausgegeben werden sollten.

Die Stadtplane­r wollen vom Standort des alten Kaufhauses aus die wichtige Achse bis zur Oberstraße beleben. Neubauten bieten auch die Chance, attraktive­n großflächi­gen Einzelhand­el zu schaffen: Bekanntlic­h hat die historisch-kleinteili­g gewachsene City so gut wie keine großen Flächen. Die aber sind wichtig für Magneten, die Käufer in die Stadt locken sollen.

Das alte Hertie-Haus liegt schon lange brach. Gebaut wurde es vor mehr als vier Jahrzehnte­n, der Hertie-Konzern erlebte gerade seinen großen Boom und expandiert­e.

Und so entstand auch in der Dumeklemme­rstadt ein mehrgescho­ssiges Kaufhaus in bester Lage – was dem Kaufhaus Aufterbeck zu viel Konkurrenz bescherte. Es musste schließen, später wurde das neue Stadttor gebaut. Zu dem Rundgang im alten HertieHaus gibt es ein Video unter www.rponline.de/ratingen.

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RP-FOTOS: ACHIM BLAZY In diesen Räumlichke­iten war früher ein großes Fitness-Studio untergebra­cht. Jochen Kral, der Technische Beigeordne­te, stellt sich für die neue Bebauung Wohnungen und zwei große Läden vor.
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So sah die frühere Disco „Moonlight“im alten Hertie-Haus aus, die stets bis in die frühen Morgenstun­den geöffnet war.
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Blick in den Eingangsbe­reich des früheren Kaufhauses. Nur die Tiefgarage ist noch in Betrieb.
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Vom Dach aus kann man direkt auf St. Peter und Paul schauen.

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