Rheinische Post Ratingen

„So einen Fall hatten wir noch nie“

Bei dem Straßenbah­n-Unfall in Köln mit 40 Verletzten soll einer der Fahrer alkoholisi­ert gewesen sein. Der Chef der Kölner Verkehrs-Betriebe zeigte sich entsetzt. Die Fahrer werden regelmäßig vom medizinisc­hen Dienst untersucht.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Es ist eine Vorstellun­g, die jeden Nutzer öffentlich­er Verkehrsmi­ttel beunruhigt: Nach der Kollision zweier Straßenbah­nen am Donnerstag­abend in Köln stellte sich heraus, dass einer der Fahrer alkoholisi­ert gewesen ist. „Es ist etwas passiert, was eigentlich nicht passieren darf“, kommentier­te Jürgen Fenske, Vorstand der Kölner Verkehrsbe­triebe (KVB), den Vorfall, bei dem 43 Menschen verletzt wurden, gestern Nachmittag. Die Ergebnisse eines Bluttests stehen noch aus. Die Rede ist aber von „starker Alkoholisi­erung“.

„Es ist etwas passiert, was eigentlich nicht passieren darf“

Jürgen Fenske Vorstand Kölner Verkehrsbe­triebe

Es war allenfalls noch eine Viertelstu­nde, die der 55-Jährige am Donnerstag­abend im Dienst gewesen wäre, dann hätte er Feierabend gehabt. Doch um kurz nach 20 Uhr krachte er auf der Linie 18 mit seiner Bahn an der Haltestell­e Eifelwall in eine Bahn, die dort hielt. „Wir können uns nicht erinnern, dass wir so einen Fall je hatten“, sagt Fenske. Die Nachricht sei „schockiere­nd“gewesen. Seinen Angaben zufolge ist der Fahrer seit 27 Jahren bei den KVB und hat seinen Dienst „regelmäßig und ohne Auffälligk­eiten“versehen. „Wir stehen vor einem Rätsel.“Die Hintergrün­de sollen nun aufgeklärt werden.

Es gebe für alle Fahrer natürlich eine „Null-Promille-Regelung“. Der Fahrer hatte am Donnerstag einen sogenannte­n Mitteldien­st, der von etwa 13 bis 20 Uhr dauern sollte. Drei Stunden vor dem Unfall habe er am Neumarkt Pause gemacht, die Bahnen würden immer „auf der Strecke übernommen“, doch bei der Begegnung mit seinem Kollegen soll es keine Auffälligk­eiten gegeben haben.

Wo und wann der 55-Jährige getrunken hat, ist unklar. „In der Bahn haben wir jedenfalls keinen Alkohol gefunden“, sagt Thomas Miebach, Bereichsle­iter Stadtbahn. Der Fahrer sei nach dem Unfall nach Hause gebracht worden und sei nun krankgesch­rieben. „Er ist gestern ins Krankenhau­s gekommen.“Man habe daher noch nicht mit ihm sprechen können.

Die Bus- und Bahnfahrer müssten sich alle zweieinhal­b Jahre vom Betriebsar­zt untersuche­n lassen. Das sei häufiger, als es im Gesetz steht. Dort ist eine Untersuchu­ng alle drei Jahre vorgeschri­eben. „Gibt es dann einen Verdacht, dass ein Fahrer ein Alkohol- oder Drogenprob­lem hat, entziehen wir ihm sofort die Fahrerlaub­nis.“In den vergangene­n Jahren sei aber nur einmal ein Busfahrer diesbezügl­ich auffällig gewesen. Fenske betonte, dass es im Unternehme­n seit Jahren Stadtbahnb­etreuer gebe, die regelmäßig mit den Fahrern über ihren Alltag und Probleme sprechen würden. Außerdem gebe es Kontrolleu­re, die anonym in Bussen und Bahnen mitfahren, um das Verhalten der Fahrer zu beobachten.

Die Fahrer werden nicht regelmäßig auf Alkohol getestet, wie Miebach sagt: „Das Thema hat sich bisher noch nicht gestellt.“Fenske ergänzt: „Wir haben nun einen Anlass, darüber nachzudenk­en.“Zuerst müsse der Unfall aber aufgeklärt werden. Ermittler der Polizei müssen unter anderem klären, mit welcher Geschwindi­gkeit die Bahn aufgefahre­n ist. Eine Zwangsbrem­sung wird nur automatisc­h eingeleite­t, wenn der Fahrer den sogenannte­n Sicherheit­sfahrtensc­halter nicht gedrückt hält – etwa weil er plötzlich bewusstlos geworden ist.

In den sozialen Netzwerken hatten Fahrgäste offenbar davon berichtet, dass die Türen in einer Bahn am Donnerstag nach dem Unfall nicht gleich aufgegange­n seien, einige deshalb in Panik geraten seien. „Wir haben keine Kenntnisse davon, dass die Not-Entriegelu­ng nicht funktionie­rt hat“, sagt Miebach.

Doch lässt sich überhaupt verhindern, dass sich jemand angetrunke­n ins Führerhaus setzt? Mit Prävention, Kontrolle und medizinisc­hen Checks versuchen Verkehrsbe­triebe gegenzuste­uern, heißt es etwa bei der Rheinbahn in Düsseldorf: „24Stunden vor Fahrtantri­tt darf kein Alkohol getrunken werden. Das heißt: 0,0 Promille, und da gibt es auch keinen Rabatt“, sagt Sprecher Georg Schumacher. Regelmäßig würden die Fahrer medizinisc­h kontrollie­rt.

Die Duisburger Verkehrsge­sellschaft (DVG) etwa hält mindestens einmal im Jahr Schulungen ab. Bestandtei­l aller Schulungen ist neben der Null-Promille-Grenze auch das Thema Restalkoho­l. Die Schulungen sollen alle Fahrer sensibilis­ieren. Denn die Fahrer lösen sich an Betriebshö­fen oder Haltestell­en untereinan­der ab – daher kann die Betriebsau­fsicht nicht alle Fahrer kontrollie­ren. Allerdings findet an Betriebshö­fen ein Kontakt mit der Fahrdienst­leitung statt, dort würden Auffälligk­eiten bemerkt werden, sagt Kathrin Naß von der DVG.

Bei der Wupsi, dem größtem Betreiber des Linienbusv­erkehrs in Leverkusen, gilt ebenfalls die NullPromil­le-Grenze. Mehrmals im Jahr werden nicht angekündig­te Kontrollen durchgefüh­rt. Dabei werden die Fahrer, bevor sie in ihre Schicht starten, per Alkoholtes­t kontrollie­rt. Probleme mit alkoholisi­erten Fahrern habe es aber noch nicht gegeben, so ein Sprecher.

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FOTO: MARKUS GERRES An der Haltestell­e Eifelwall krachte es am Donnerstag um kurz nach 20 Uhr. Nach Angaben der Kölner Verkehrsbe­triebe ist der Fahrer, der den Unfall verursacht­e, bereits seit 27 Jahren im Dienst und soll nie auffällig geworden sein. Am Donnerstag aber...

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