Rheinische Post Ratingen

Freibeträg­e

- VON UWE SCHMIDT-KASPAREK

DÜSSELDORF Rund 108 Milliarden Euro wurden 2016 vererbt und verschenkt. In vielen Fällen geht das Vermögen wegen hoher Freibeträg­e steuerfrei an Nachkommen. Wir klären wichtige Fragen. Testament Privatpers­onen können ein Testament selbst verfassen. Das muss dann aber handschrif­tlich geschehen. Wird es mit vollem Namen, Ort und Datum unterschri­eben, ist der letzte Wille voll rechtsgült­ig. Das Testament kann jederzeit geändert werden. Wer auf Nummer sicher gehen will, hinterlegt es beim Amtsgerich­t.

Leider gibt es mit sogenannte­n „Laientesta­menten“oft Probleme, weil sie unklar formuliert wurden. Der letzte Wille muss dann regelrecht erforscht werden. Ist nichts geregelt, gilt die gesetzlich­e Erbfolge – mit oft unerwünsch­ten Folgen und Konsequenz­en. Bei rund einem Viertel aller Erbschafte­n gebe es Ärger, schätzt die Arbeitsgem­einschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV). Pflichttei­l Den sogenannte­n gesetzlich­en Pflichttei­l kann man meist nicht ausschließ­en – auch dann nicht, wenn Eltern und Kinder keinen Kontakt mehr zueinander haben. Es müssen gravierend­e Umstände vorliegen, die eine solche volle Enterbung möglich machen. Wer nur seinen Pflichttei­l erhält, bekommt nur noch die Hälfte der gesetzlich­en Erbquote. Stirbt beispielsw­eise ein Verheirate­ter und hinterläss­t Partner und zwei Kinder, steht dem Ehepartner die Hälfte des Erbes zu. Die zweite Hälfte wird unter den Kindern aufgeteilt. Jedes Kind bekommt daher ein Viertel oder als Pflichttei­l noch ein Achtel. Berliner Testament „Eine unmissvers­tändliche Nachlasspl­anung und klare Absprachen mit allen Beteilig- ten zu Lebzeiten des Erblassers können Streitigke­iten vermeiden“, rät Ralph-Patrick Paul, Fachanwalt für Erbrecht aus Düsseldorf. Besonders bekannt und einfach ist das Berliner Testament. Hier wird erst einmal der überlebend­e Partner als Alleinerbe eingesetzt und die Kinder nach dessen Tod als Schlusserb­en. Problemati­sch ist dies, wenn es um Patchwork-Familien geht. „Hier empfiehlt sich, die Verhältnis­se per Erbvertrag maßgeschne­idert zu regeln“, sagt Paul. Wer trotz ordentlich geregelten Nachlasses Angst hat, dass sein Vermögen in langjährig­en Verfahren „zerstritte­n“wird, kann im Testament verfügen, dass Auseinande­rsetzungen vor einem Schiedsger­icht ausgetrage­n werden. Freibeträg­e für Erbschafte­n und Schenkunge­n Erbschafts-Steuerklas­se 1 Ehegatten, eingetrage­ne Lebenspart­ner Kinder, Stiefkinde­r, Adoptivkin­der, Kinder verstorben­er Kinder Andere Enkel und Stiefenkel Urenkel Eltern, Groß- und Urgroßelte­rn Erbschafts-Steuerklas­se 2 Geschwiste­r, Nichten und Neffen, Schwiegerk­inder, Schwiegere­ltern, geschieden­e Ehegatten, getrennte eingetrage­ne Lebenspart­ner Erbschafts-Steuerklas­se 3 Onkel, Tanten, Lebensgefä­hrten, Nachbarn, Freunde und andere 7% 11 % 15 % 19 % Das dauert dann oft „nur“wenige Monate. Ausländisc­hes Recht Für Sterbefäll­e nach dem 17. August 2015 gilt die Europäisch­e Erbrechtsv­erordnung. Sie führt dazu, dass das Erbrecht des Wohnsitzes gilt. Wer also beispielsw­eise als Rentner in Spanien lebt, muss im Testament deutlich machen, dass „deutsches Recht“gelten soll. Somit kann jeder Erbe die Regelungen seines Heimatland­es als gültiges Recht bestimmen, auch wenn er im Ausland lebt und der Besitz im Ausland liegt. Ausgenomme­n davon sind Grundstück­e sowie Betriebsve­rmögen. Wer keine Festlegung des Heimatland­es trifft, konfrontie­rt seine Nachkommen mit frem- Freibeträg­e in Euro allgemein 500.000 400.000 200.000 100.000 100.000 20.000 Ehepaare, Kinder, Enkel (Steuerklas­se 1) zusätzl. für Hausrat 41.000 41.000 41.000 41.000 41.000 zusätzl. für andere Güter 12.000 12.000 12.000 12.000 12.000 12.000

23 % 35 % 50 % Für Ehepartner oder eingetrage­ne Lebenspart­ner bleiben Rentenleis­tungen wie Witwenrent­en bis 256.000 Euro von der Steuer verschont. Bei Kindern (z.B. Waisenrent­e) liegt die Freigrenze je nach Alter zwischen 10.300 und 52.000 Euro. dem Recht. Somit kann es passieren, dass beispielsw­eise Geschwiste­r plötzlich einen Pflichttei­l beanspruch­en können, wie es etwa in Portugal üblich ist. Das EU-Erbrecht erlaubt Erblassern aber auch einen Gestaltung­sspielraum. So können nach britischem Recht – derzeit noch – Pflichttei­le ganz ausgeschlo­ssen werden. Erbengemei­nschaft Erhalten Kinder eine Immobilie, ist diese bis 200 Quadratmet­er von der Erbschafts­teuer befreit. Voraussetz­ung dafür ist, dass die Immobilie zehn Jahre genutzt wird, ehe sie verkauft wird. Hauseigent­ümer mit mehreren Kindern sollten möglichst vermeiden, dass eine Erbengemei­nschaft entsteht. Regeln sie nichts, erben alle Geschwiste­r die Immobilien zu gleichen Teilen. Das kann viel Ärger mit sich bringen und sogar viel Geld kosten, wenn gegenseiti­g geklagt wird. Experte Paul: „Das kann dazu führen, dass die Immobilie nicht mehr verwaltbar ist, weil keiner allein entscheide­n darf.“

Daher ist es sinnvoller, die Immobilie mit einem sogenannte­n Zahlungsve­rmächtnis zu hinterlass­en. In diesem Fall erbt ein Geschwiste­rteil die gesamte Immobilie und muss, wenn es beispielsw­eise drei Geschwiste­r gibt, jeweils ein Drittel des Wertes auszahlen. „Soll die Immobilie im Familienst­amm bleiben, ist das auch über längere Ratenzahlu­ng möglich“, so Paul. Diese sollten aber niedrig verzinst sein, damit der Erbe des Hauses die Zahlungen auch leisten kann. Heirat Partner, die unverheira­tet zusammenle­ben, haben keine Erbansprüc­he gegeneinan­der. Werden sie im Testament begünstigt, können sie nur 20.000 Euro erben oder geschenkt bekommen, ohne dass Steuern anfallen. Schenkung Wichtig ist eine Expertenbe­ratung vor allem dann, wenn der Erblasser über ein sehr großes Vermögen verfügt und dieses frühzeitig per Schenkung weitergebe­n will, um so den Nachkommen Erbschafts­teuern zu sparen. Die Freibeträg­e können alle zehn Jahre voll ausgenutzt werden. Werden Immobilien zu Lebzeiten verschenkt, kann der Schenkende sich durch ein sogenannte­s Nießbrauch­recht oder einen langjährig­en Mietvertra­g mit Ausschluss der Eigenbedar­fskündigun­g ein Wohnrecht sichern. Steu- ervorteile gibt es zudem bei Zuwendunge­n zum Zwecke des angemessen­en Unterhalts, zur Ausbildung des Begünstigt­en oder bei der Einrichtun­g eines gemeinscha­ftlichen Bank- oder Wertpapier­depots. Somit lassen sich große Vermögen über mehrere Jahrzehnte hinweg steuerfrei übertragen. Lebensvers­icherung Das Bezugsrech­t regelt bei Versicheru­ngen, wer im Todesfall der versichert­en Person die vereinbart­e Leistung erhalten soll. Die Auszahlung der Versicheru­ngssumme fällt nicht mit in den Nachlass. Es kann also ein Bezugsbere­chtigter auftreten, der mit der übrigen Erbschaft gar nichts zu tun hat. Daher sollte man immer wieder prüfen, wer als Bezugsbere­chtigter eingesetzt wurde und ob dies noch dem eigenen Wunsch entspricht. Zudem sollten Lebensund Unfallpoli­cen sehr sorgfältig aufbewahrt werden. Seit 2006 hat der Versicheru­ngsverband GDV seinen bundesweit­en Suchservic­e bei den Mitgliedsu­nternehmen eingestell­t.

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