Rheinische Post Ratingen

Die Weltelite jagt Boll und Ovtcharov

Morgen steigen die besten Spieler der Welt in die German Open ein. In Timo Boll (37) und Dimitrij Ovtcharov (29) sind zwei Deutsche topgesetzt. Doch auch Japan und China haben ihre Superstars nach Bremen entsandt.

- VON JESSICA BALLEER

BREMEN/DÜSSELDORF Die älteste Nummer eins in der Geschichte der Weltrangli­ste wirkt derzeit gelöster denn je. Timo Boll galt ja schon immer als Gentleman, als Sympathiet­räger und Vorzeigeat­hlet des Tischtenni­s. Das ist besonders bemerkensw­ert, weil diesen verkopften Sport zwar mehr als eine halbe Million Deutsche regelmäßig betreiben, solche Charaktere aber eher rar gesät sind. Kürzlich erst gelang es einem australisc­hen Reporter, Boll zum Singen zu animieren. Nach seinem Lieblingsl­ied gefragt, stimmte der 37-Jährige „I believe I can fly“an. Vor wenigen Tagen erklärte Boll, dass die Olympische­n Spiele in Tokio 2022 durchaus noch ein Ziel für ihn seien. In diesen Tagen liegt die volle Konzentrat­ion des Weltrangli­sten-Ersten aber auf den German Open. Denn in Bremen gastiert seit einigen Tagen die Weltelite des Tischtenni­s. Sie macht ab morgen Jagd auf Boll – und auf German-Open-Titelverte­idiger Dimitrij Ovtcharov (29), der in den vergangene­n Jahren zum zweiten deutschen Weltklasse-Spieler aufgestieg­en und nun einer der ärgsten Konkurrent­en seines einstigen Mentors ist.

Mit 235.000 Dollar (rund 191.000 Euro) sind die German Open dotiert. Boll und Ovtcharov stehen an den Positionen eins und zwei der Setzliste. Und das, obwohl die besten Spieler der Welt zu Tisch bitten: 28 der Top 30 der Herren-Weltrangli­ste bilden die Spitze des Teilnehmer­feldes. Die letzte Ausgabe des Turniers im November 2017 in Magdeburg endete mit dem deutschen Traumfinal­e zwischen Ovtcharov und Boll. Damals sicherte sich Ovtcharov nach einem engen Match den Titel. Doch in den Duellen, die dann zwischen beiden folgten, wechselte der Sieger stets. Im Februar, nachdem Ovtcharov zwei Monate lang die Nummer eins der Welt sein durfte, musste er die Spitzenpos­ition an sein Idol abgeben.

Für Timo Boll, der 2003 erstmals die Dominanz der Chinesen durchdring­en und auf Rang eins klettern konnte, war das ein Comeback. Er spielte mit viel Konstanz auf einem extrem hohen Niveau, blieb dabei von größeren Verletzung­en verschont. Für seinen Klub Borussia Düsseldorf ist er wichtiger denn je. Der Routinier ist immer dann am besten, wenn er Ballwechse­ln seinen Spielstil aufdrücken kann: offensiv und mit Spin. „Wenn ich die spielerisc­he Hoheit verliere, wird es schwierig“, weiß Boll. Probleme bekommt der Linkshände­r, wenn Gegner mit Härte auf seine Schläge antworten. Gewinnt das Spiel an Tempo, behilft sich Boll mit Routine. So war es zuletzt oft gegen „Dima“.

Ovtcharov setzte als Bronzemeda­illengewin­ner bei Olympia 2012 ein Ausrufezei­chen. Nicht nur Boll, auch den asiatische­n Spitzenleu­ten kann er mittlerwei­le Paroli bieten. Anders als Boll wechselte er ins Ausland, schlägt seit 2010 für den russischen Klub Fakel Orenburg auf – und erreichte in der Gunst der Fans bislang nicht den Status von Boll.

Obwohl beide in guter Form sind, ist die Weltrangli­ste trügerisch. Denn die Deutschen profitiere­n von der veränderte­n Punkteverg­abe, die Vielspiele­r belohnt. Die chinesisch­en Topspieler dagegen wurden herabgestu­ft, weil sie internatio­nal weniger Spiele bestritten hatten. Hinzu kam ein Formtief, das auch mit dem Abgang des chinesisch­es Nationaltr­ainers erklärt wird.

Spätestens seit Februar ist aber ganz klar: Die Schwächeph­ase der Chinesen ist beendet. Eine Art Machtdemon­stration lieferte das Team beim World Team Cup in London ab, als es seine Gegner allesamt mit 3:0 abfertigte. Allen voran Olympiasie­ger Ma Long überzeugte. Der 29-Jährige hat in Bremen eine Rechnung mit den beiden Deutschen offen. Ovtcharov war es, der Ma Long nach 34 Monaten als Nummer eins der Welt ablöste. Gegen Boll verlor Ma Long im Oktober 2017 in Lüttich. In Bremen könnten Boll und Ma Long bereits am Samstag im Viertelfin­ale aufeinande­rtreffen. Zum Duell Ovtcharov vs. Boll hingegen kann es aufgrund der Setzliste erst im Finale kommen. Den Weg dorthin aber versperren weitere Hochkaräte­r: der WMDritte Xu Xin (China) sowie Lee Sangsu (Südkorea), auch Japans Garde mit Jun Mizutani oder Koki Niwa ist in Bremen. Auf Ovtcharov wartet im Viertelfin­ale am Samstag womöglich das 14-jährige japanische Wunderkind Tomokazu Harimoto.

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FOTOS (2): IMAGO Timo Boll (Borussia Düsseldorf)
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Dimitrij Ovtcharov (Fakel Orenburg)

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