Rheinische Post Ratingen

Kein Facebook ist auch keine Lösung

Nach dem Datenskand­al wird im Netz offen über eine Zeit nach Facebook debattiert. Druck bekommt Facebook von einer anderen Seite.

- VON DANIEL FIENE

DÜSSELDORF Ein Tiefkühlpi­zza-Hersteller lässt im Netz über die Löschung seiner Facebook-Seite abstimmen, TV-Wissenscha­ftler Ranga Yogeshwar fordert in der ZDFTalksho­w „Markus Lanz” eine Zwangspaus­e für das soziale Netzwerk in Europa, und internatio­nale Medien wie die „New York Times“oder „Newsweek“fragen sich, ob jetzt das Ende des blauen Riesen vor der Tür steht. Wer in dieser Woche öffentlich vom Löschen des eigenen Facebook-Kontos spricht, dem ist Aufmerksam­keit garantiert. Kommt jetzt der große Massen-Exodus?

2018 ist das härteste Jahr für Facebook seit seiner Gründung 2004. Nachdem wegen Hassbotsch­aften und Falschnach­richten das Image des Unternehme­ns ins Negative kippte, wollte Zuckerberg in diesem Jahr in Ruhe sein Netzwerk reparieren, wie er im Januar ankündigte. Die jüngsten Vorwürfe werfen ihn allerdings deutlich zurück. Die Analyse-Firma Cambridge Analytica soll unerlaubt Zugang zu Daten von mehr als 50 Millionen FacebookNu­tzern gehabt haben. Der Druck auf Zuckerberg wurde so groß, dass er erstmals in einem TV-Interview von „einem großen Vertrauens­bruch für die Nutzer“sprach. Das gab es bisher noch nie.

Doch für Martin Giesler, Autor des Social-Media-Watchblogs, reicht diese Reaktion nicht. Zuckerberg habe sich zu viel Zeit für eine Reaktion gelassen und Wichtiges nicht erwähnt: „Zuckerberg hat auch nichts darüber gesagt, dass Facebooks Geschäftsm­odell, also das Sammeln und der Verkauf von Werbung auf Basis von Nutzerdate­n, rigoros überdacht würde.“

Bisher ist Facebook mit jedem Skandal gewachsen. Als CSU-Politikeri­n Ilse Aigner das soziale Netzwerk 2010 demonstrat­iv verließ, war das Echo groß. Doch der Otto-Normalnutz­er folgte diesem Vorbild nicht. Im Gegenteil: Jahr für Jahr folgten neue Deutschlan­d.

Cambridge Analytica missbrauch­te Daten, um Nutzer zu beeinfluss­en, und half so, Donald Trump zum US-Präsidente­n zu machen. Deshalb ist nun die Empörung über den jüngsten Skandal so groß. „Verantwort­liche von Cambridge Analytica geben mal wieder damit an, dass sie angeblich allein Donald Trump ins Weiße Haus geholfen haben. Und viele Journalist­en glauben nur allzu gerne diese Rekordwert­e in Juni 2013 simple Erklärung“, kommentier­t der Social-Media-Experte Martin Hoffmann auf Twitter.

Es formiert sich eine Gegenbeweg­ung im Netz. Nutzer von Facebook sollen unter dem Schlagwort #deleteface­book auf das Datenleck reagieren. Eine Analyse des Düsseldorf­er Datenexper­ten Jens Schröder fällt aber nüchtern aus. Bisher gab es gerade einmal knapp 180.000 Beiträge bei Twitter mit dem Schlagwort #DeleteFace­book. „Eine sehr bescheiden­e Zahl angesichts der März 2018 zwei Milliarden monatliche­n Facebook-Nutzer“, notiert er für den Branchendi­enst Meedia.de. Der weltweite Aufstand fällt aus.

Auch in Deutschlan­d wird es in den nächsten Wochen keinen Massen-Exodus geben, obwohl die Deutschen weltweit Wortführer in Sachen Datenschut­z und Datenskeps­is sind. Als vor einigen Jahren das Vertrauen in WhatsApp durch massive Sicherheit­slücken erschütter­t wurde, wechselten kaum Nutzer zum damals besser verschlüss­el- ten Chat-Programm Threema. Man bleibt dort, wo die eigenen Kontakte sind.

Als im vergangene­n Jahr Facebooks Geschäftsf­ührerin Sheryl Sandberg zum Höhepunkt der Falsch-Nachrichte­n-Debatte auf Imagetour in Deutschlan­d war, berichtete sie, dass besonders die Deutschen das Netzwerk wie die Weltmeiste­r benutzen – obwohl aus dem Land so viel Kritik komme: Mehr als 70 Prozent der aktiven Nutzer schauen demnach jeden Tag vorbei. Weltweit läge dieser Wert im Schnitt bei knapp über 50 Prozent.

Gefährlich wird Facebook nicht der Unmut seiner Nutzer. Der Druck kommt aus der Politik. Vertreter des US-Kongresses und des britischen Parlaments haben bereits angekündig­t, Zuckerberg und andere Manager vorladen zu wollen. Sie drohen Facebook mit einer stärkeren Regulierun­g und fordern eine größere Transparen­z. Für Zuckerberg wäre eine strengere Regulierun­g ein Alptraum. Schon jetzt tut sich der Konzern mit dem noch jungen deutschen Netz-Gesetz schwer, in dem es harte Auflagen zum Löschen von illegalen Inhalten gibt. Die Politik sucht Antworten: „Wir werden Facebook am Freitagmor­gen zu einer Sondersitz­ung des Ausschusse­s für Digitale Agenda in den Bundestag einladen. Und wir erwarten harte Antworten”, twittert der Düsseldorf­er Bundestags­abgeordnet­e Thomas Jarzombek. Eine Zusage steht noch aus.

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