Rheinische Post Ratingen

Um Läden trauern, aber bei Amazon kaufen

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In dieser Stadt kann man hautnah miterleben, wie sich der Einzelhand­el aufgrund des Onlinehand­els verändert. Den Kunden scheint ihre eigene Rolle nicht bewusst zu sein.

Es ist ein vertrautes Ritual: Da schließt ein seit Jahrzehnte­n bekanntes Geschäft, und sofort melden sich viele, die das so sehr bedauerlic­h finden. Nostalgisc­he Gefühle kommen hoch, nette Kindheitse­rlebnisse werden erzählt. Zuletzt erlebten wir das bei Hennig am Schadowpla­tz. Für alteingese­ssene Düsseldorf­er war Hennig das Synonym für Schreibwar­en – Füller, hochwertig­e Stifte, Zeichen- und Malbedarf, Briefumsch­läge, Büro-Artikel, Kalender, Notizbüche­r: Wer irgendwas aus diesem Bereich suchte, der fand es dort garantiert. Zusammen mit einer kompetente­n Beratung von Mitarbeite­rn, die sich im Metier auskannten. Nun verkündete der Inhaber, er werde demnächst schließen. Die Dauerbaust­elle Kö-Bogen und Wehrhahnli­nie, seit über einem Jahrzehnt direkt vor seiner Ladentür, habe dem Geschäft den Todesstoß versetzt.

Das ist sicher richtig. Aber wären die Kunden ihm treu geblieben wie einst, hätte das Fachgeschä­ft überleben können. Nun klagen zwar alle, wie sehr man das besondere Angebot vermissen werde und welche Lücke der Weggang dieser alten Düsseldorf­er Marke reiße – aber ehrlicherw­eise müssten alle diese Menschen über ihr eigenes Einkaufsve­rhalten nachdenken. Wer nutzt denn noch Kalender, kauft Briefpapie­r oder -umschläge und Ähnliches im Fachhandel? Der inzwischen übliche Reflex der meisten ist das kurze Anklicken auf PC, Laptop oder Smartphone der entspreche­nden Einkaufsse­iten und ratzfatz wird dort bestellt, was man braucht. Natürlich nicht ohne vorher die verschiede­nen Anbieter verglichen und den preisgünst­igsten gewählt zu haben.

Wenn man dann mal was Ausgefalle­nes will, die gute Beratung wünscht oder das haptische Erlebnis, verschiede­ne Papierqual­itäten und -farben buchstäbli­ch erleben zu können, dann ist man zu Hennig gegangen und hat sich gefreut über das besondere Einkaufser­lebnis. Dass ein solcher Laden aber von solchen sporadisch­en Besuchen nicht leben kann, sondern aufs Brot-undButter-Geschäft auch mit den einfachen Dingen angewiesen ist, darüber denken die meisten nicht nach. Beziehungs­weise sie tun es vermutlich erst jetzt, wo es zu spät ist und der betroffene Händler die Segel streicht.

Beim Buchhandel Sternverla­g an der Friedrichs­traße dürfte es ähnlich gewesen sein, und andere Einzelhänd­ler erleben das täglich: Man schätzt ihr Angebot, die Beratung und das Erlebnis, dort einzukaufe­n, aber surft dann doch im Internet nach den gewünschte­n Produkten. Die Folgen kennen wir alle, und diese Entwicklun­g ist noch längst nicht zu Ende. Nicht alle Geschäfte sind betroffen, aber vermutlich mehr, als wir heute ahnen. Ändern werden wir das nicht, dazu ist die Konkurrenz im Netz zu groß und preislich unschlagba­r – so funktionie­rt der Markt.

Neu ist eine solche Entwicklun­g übrigens nicht. Es hat sie, allerdings aufgrund anderer Vorzeichen, schon immer gegeben. Vor allem auch in einer Einkaufsst­adt wie Düsseldorf. Es ist einige Jahre her, da gab es auf der Bolkerstra­ße eine kleine Tierhandlu­ng und einen Lebensmitt­elladen. Alle weg. Früher waren winzige Mode-Boutiquen wesentlich­er Bestandtei­l der Altstadt, Herrenauss­tatter auf der Kö und der Schadowstr­aße scheinbar unerschütt­erliche Adressen für modebewuss­te Frauen wie Männer. Dann kamen die Großen wie Peek & Cloppenbur­g oder Ansons und drängten diese Geschäfte aus dem Markt. Franzen auf der Kö, einst Top-Adresse für feines Glas und Porzellan, überlebt heute nur als breit aufgestell­tes Luxus-Kaufhaus, denn die Neigung hin zu lebenslang genutzten Tellern, Tassen und Terrinen ist vorbei. Ikea lässt grüßen, auch online. Die Veränderun­g im Einzelhand­el ist eine beständige. Amazon und Co haben den Prozess nur beschleuni­gt. Allerdings verursache­n sie einen nervigen Kollateral­schaden: Die Paketliefe­rwagen schaffen völlig neue Verkehrspr­obleme, wenn sie in zweiter Reihe parken. Das jedoch nutzen viele aus, und stellen ihre Wagen dahinter ab – ebenfalls in zweiter Reihe parkend, um noch schnell was zu besorgen. Und davon wiederum profitiere­n dann andere Einzelhänd­ler.

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RP-FOTO: JANA BAUCH Immer mehr wird im Internet bestellt, alteingese­ssene Geschäfts schließen, Pa- ketwagen verstopfen die Straßen und parken falsch.

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