Heiße Öfen im Westerwald
Im Westerwald liegt das größte Tonvorkommen Europas. Daher rührt auch der Spitzname für die Region: „Kannenbäckerland“. An Ostern öffnen alle Töpfereien des Ortes Höhr-Grenzhausen für Besucher.
Im Westerwald, da pfeift nicht nur der Wind so kalt. Es wird auch richtig heiß. Auf 1200 Grad brennen die dortigen Töpfereien ihre Waren: Schalen, Teller, Tassen, Vasen und Bierkrüge, aber auch veritable Kunstwerke. HöhrGrenzhausen und Umgebung sind Liebhabern hochwertiger Keramik ein Begriff.
Unter der Erde, in der hügelig-bewaldeten Landschaft, liegt ein wertvoller Rohstoff: Ton. Aus ihm stellten geschickte Handwerker schon im Mittelalter die berühmten graublauen Henkelkrüge her. „Von diesen Kannen leitet sich auch der Name ,Kannenbäckerland‘ für unsere Region ab“, erzählt Joachim Ermert. Dem Töpfermeister der Töpferei Girmscheid können Besucher regelmäßig in den Produktionshallen über die Schulter schauen. Die nächste Gelegenheit dazu ist Anfang April, wenn es wieder einmal heißt: „HöhrGrenzhausen brennt Keramik“. Am Ostermontag öffnen dazu alle 18 Töpferein des Ortes ihre Pforten.
Jeder Töpfer des Ortes hat sich spezialisiert: Der eine stellt Gebrauchskeramik her, der nächste ist künstlerisch unterwegs, manche drehen auf der Töpferscheibe, andere pressen den Ton in Formen. Andreas Hinder stellt keramische Tierplastiken her – frei nach seinem Motto „Ist die Katze aus dem Haus.. .“. Bei Girmscheid gibt es unter anderem Repliken von historischen bayerischen Bierkrügen, die heute wie vor 150 Jahren hergestellt werden. „Wir reproduzieren Krüge, die zum Beispiel Augustiner oder auch das Herzogliche Brauhaus Tegernsee aus ihren Museen geholt haben“, berichtet Meister Ermert stolz.
Dass die grauen Krüge mit dem blauen Aufdruck so schön glänzen, ist der Salzglasur zu verdanken. „Niemand weiß, ob sie im Mittelalter durch Zufall erfunden wurde oder woher das chemische Wissen kam – aber irgendwann begannen die Westerwälder, Salz in die Brennöfen zu schütten“, erzählt die Niederländerin Nele van Wieringen, die seit Anfang dieses Jahres das Keramikmuseum in Höhr-Grenzhausen leitet. „Die Leute hier sind keine Hinterwäldler, denn sie haben schon immer fortschrittlich und global gedacht.“
Westerwälder Steinzeug wurde einst in ganz Europa geschätzt. Es gab Zeiten, da war die Hälfte aller Einwohner von Frühjahr bis Herbst unterwegs. Sie zogen mit vollgepackten Wagen los, wanderten mit Kiepen bis Holland. Da gab es so- gar Stammkunden, die in einem Jahr eine Sonderanfertigung für den Hochzeitstag bestellten, die im Jahr darauf geliefert wurde. Noch heute erfreut das Geschirr Hausfrauen, denn es ist sogar spülmaschinenfest.
„Was einmal bei 1200 Grad mit Salzglasur gebrannt wurde, dem können später Hitze und Wasser nichts mehr anhaben“, sagt van Wieringen. Die studierte Malerin hörte einst auf einem Töpfermarkt in Florenz erstmals vom Wester- wald. Sie erklärt, weshalb ausgerechnet zwischen Taunus und Hunsrück ein Zentrum für Keramik entstand, warum dessen Strahlkraft weit über den europäischen Kontinent hinaus reicht, weshalb sich sogar Studenten von Japan bis Ar-