Rheinische Post Ratingen

Endlich wieder Kunst im Kunstverei­n

Immer wieder gibt es Kritik an Eva Birkenstoc­k. Die aktuelle Ausstellun­g von Kasia Fudakowski tut ihrem Ausstellun­gsprogramm gut.

- VON ANNETTE BOSETTI

Wie ein langes finsteres Loch kam einem zuletzt der einzige Ausstellun­gsraum im Düsseldorf­er Kunstverei­n manchmal vor. Künstleris­che Positionen gab es zwar, aber sie wurden versteckt unter Bergen von staubtrock­enen Archivalie­n. Die Gesamtpräs­entation glich einem unaufgeräu­mten Denk-Parcours. Manch einer wünschte sich endich mal wieder einen klassische­n Ausstellun­gsaufbau.

Der Kunstverei­n für die Rheinlande und Westfalen ist einer der ältesten und größten in Deutschlan­d

Schon bevor Eva Birkenstoc­k vor anderthalb Jahren die Leitung des Kunstverei­ns übernahm, noch zur Zeit von ihrem Vorgänger Hans-Jürgen Hafner, stand der selbststän­dige räumliche Ableger in der Kunsthalle oft unter Beschuss. Regelmäßig formieren sich auch aktuell Gegner des Ausstellun­gsprogramm­s, genauso regelmäßig verteidige­n die Fürspreche­r die wenn auch schwer zugänglich­en, so doch kühnen Positionen. 1829 gegründet, gehört der Kunstverei­n für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf zur ersten Generation deutscher Kunstverei­ne. Und er ist mit seinen rund 3000 Mitglieder­n einer der größten und ältesten in Deutschlan­d. Jüngere Menschen wünscht man sich aktuell als Mitglieder, da ist Bedarf.

Von seinem Grundsatz her fühlt sich der Kunstverei­n relevanten Themen und Tendenzen verpflicht­et, in der Praxis wie in der Theorie. Die Gegenwart soll sich in der Kunst spiegeln, ästhetisch und gesellscha­ftlich. Darauf beruft sich die eloquente Leiterin am Grabbeplat­z. Kritik ficht sie nicht an. Im Gegenteil. Eva Birkenstoc­k will wahrschein­lich genau das erreichen, was „Trouble in the Head“, also Denkstörun­gen, verursacht. Dialoge will sie fördern zwischen Generation­en und gesellscha­ftlichen Gruppen, den Diskurs anregen zwischen Akademiest­udierenden und jungen Künstlern. Mit aktuellen Positionen, die noch nicht allseits bekannt sind, prescht der Kunstverei­n nach vorne, weil man das Verständni­s für zeitgenöss­ische Kunst insgesamt erhöhen will.

„Das Gute ist“, sagt Eva Birkenstoc­k, „man kann hier alles machen. Und man kann auch scheitern.“Kunstverei­ne seien in ihrer Programmat­ik unabhängig­e Orte, das sei besonders wichtig. Auch stehe sie nicht unter Besucherza­hlendruck. Aber sie freue sich natürlich über möglichst viele Besucher. Um die junge Kunstszene im Blick zu haben, muss sie sich besonders viel umschauen, sie ist in Ateliers und Galerien anzutreffe­n, auf Messen und bei den Rundgängen in den Kunsthochs­chulen. Oft hat sie einen Künstler an mehreren Orten über Jahre im Blick gehabt, bevor sie sich entschließ­t, ihn zur Ausstellun­g nach Düsseldorf zu bitten.

Noch mehr will Birkenstoc­k in Zukunft auf Vermittlun­g setzen, das sagt die gebürtige Siegenerin, Jahrgang 1978, die im Rheinland verwurzelt ist und vom Kunsthaus Bregenz in die Landeshaup­tstadt wechselte. Ihr sei bewusst, dass manche Schau auf Anhieb schwer zu enträtseln sei. Daher empfiehlt sie jedem Interessen­ten, das Angebot mit den wöchentlic­hen Führungen wahrzunehm­en. Demnächst besteht dazu die Möglichkei­t, die Künstlerin ken- nenzulerne­n, die derzeit den Raum mit fasziniere­nden Gebilden und verrückten dahinterst­ehenden Gedanken ausfüllt und bereichert.

Kasia Fudakowski­s Name ist so unaussprec­hlich wie das komplexe Gebilde, das die gebürtige Londonerin (Jahrgang 1985) in den Raum gesetzt hat. Im Begriff steckt eine doppelte Verneinung, die auf die Übereinsti­mmung hinausläuf­t, nicht übereinzus­timmen. „Das Chaos der im Titel vereinigte­n Buchstaben“, so heißt es auf dem die Ausstellun­g begleitend­en Plan, „spiegelt sich auch in der Skulptur.“Eine überdimens­ionierte transparen­te Folge aus Paravents ist es, die Fudakowski „Continuous­lessness“betitelt und überwiegen­d eigenhändi­g angefertig­t hat. Das Schweißen des Gestänges, das Anmalen einzel- ner Teile, das Verschweiß­en von Kunsthaar in Folie, das Formen von Zahnreihen und busenförmi­gen Gläsern oder das Abfüllen von Wasser und künstliche­n Kothäufche­n entstand in Etappen. Die Arbeit wird vermutlich lebenslang unvollende­t bleiben. Alle Elemente haben ihre eigenen Geschichte­n – begonnen hat das schon im Jahr 2011 und führte beispielsw­eise 2017 die junge Künstlerin zur Biennale von Istanbul. Schlangenf­örmig durchzieht der gitterförm­ige Kunstzaun den Raum. Und verweist auf die Biografie der Künstlerin, auf ihre in verschiede­nen Ländern wie der Türkei und Italien inspiriert­en Lebensabsc­hnitte.

2018 ist sie für den Aufschlag im Kunstverei­n ein neues Kapitel angegangen; Element 16 steht für sich al-

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