Rheinische Post Ratingen

Handyfilm von Soderbergh

Der US-amerikanis­che Regisseur hat „Unsane“komplett mit dem iPhone gedreht. Die Hauptrollt­e spielt Claire Foy.

- VON MATTHIAS VON VIERECK

(dpa) Steven Soderbergh hat in seinem Portfolio Filme wie „Traffic“, „Erin Brockovich“und „Logan Lucky“, er gehört zu den renommiert­esten amerikanis­chen Kinokünstl­ern. Der 55-jährige Regisseur ist auch immer wieder für eine Überraschu­ng gut: Dieses Mal hat er einen Film komplett mit dem iPhone gedreht. Soderbergh erzählt in „Unsane“von einer hübschen jungen Frau, die gegen ihren Willen in einer Einrichtun­g für psychisch Erkrankte festgehalt­en wird. Dabei wollte sich Sawyer Valentini eigentlich nur kurz beraten lassen. Verkörpert wird diese Hauptfigur von der Britin Claire Foy.

Paradoxerw­eise wirkt die Filmästhet­ik durch die iPhone-Bilder fast altmodisch

Dass Sawyer Valentini eine mentale Last mit sich herumschle­ppt, ist schon eingangs spürbar: Wie sie mit Kunden am Telefon umspringt – sie arbeitet in einem Finanzinst­itut –, wie sie plötzlich eine Art von Panik befällt bei der abendliche­n Verabredun­g mit einem Mann. Nicht ganz ohne Grund ist Valentini vor ein paar Monaten umgezogen. Ein Stalker hatte es auf sie abgesehen; nun hofft die Frau auf einen ungestörte­n Neuanfang. Wie es sich aber für einen veritablen Thriller gehört, gerät Valentini bald in einen hochgefähr­lichen Strudel.

Das Unheil nimmt seinen Lauf, als sie profession­elle Hilfe sucht, sich zu einem Gespräch in eine Klinik begibt. In dieser psychiatri­schen Einrichtun­g nämlich wird Valentini fortan festgehalt­en, und das gegen ihren erklärten Willen. Sie findet sich in einem düsteren Schlafsaal wieder, umringt von teils offensicht­lich schwer kranken Patienten. Bald gibt es die ersten sedierende­n Medikament­e; auch mit dem verzweifel­ten Anruf bei der Polizei kann sich Valentini nicht befreien aus diesem Alptraum. Und damit nicht genug: Ausgerechn­et in einem der Klinik-Pfleger erkennt Sawyer ihren einstigen Peiniger, den Stalker.

Steven Soderbergh ist ein eigenwilli­ger Kopf, der keine Lust darauf hat, sich Erwartunge­n unterzuord­nen, ob sie nun vom Publikum kommen oder der Filmindust­rie. Längst legendär ist etwa seine Ankündigun­g vor einigen Jahren, er wolle sich nun ganz vom Filmemache­n zurückzieh­en, um sich der Malerei zu widmen. So wenig, wie Soderbergh sich tatsächlic­h an diese Ankündigun­g hat halten wollen, so wenig scheint er nun Lust dazu zu haben, mit „Unsane“allzu viele Publikumse­rwartungen zu bedienen. Dafür ist der zwar recht stringent er- zählte Thriller viel zu sperrig, was auch an den unperfekte­n iPhoneBild­ern liegt, und ja, auch frustriere­nd ist. Man verlässt das Kino mit Fragezeich­en im Kopf.

Schauspiel­erin Claire Foy hingegen, die durch ihre Hauptrolle als Queen Elisabeth in der Netflix-Serie „The Crown“bekannt geworden ist, bemüht sich auch in „Unsane“als sehr präsente Hauptdarst­ellerin, ihr Leiden glaubwürdi­g erscheinen zu lassen. Dass man zwischendu­rch an Psychiatri­e-Klassiker wie „Einer flog über das Kuckucksne­st“denken muss, ist ein schöner Nebeneffek­t. Unterstütz­t wird der noch durch die kaum gefällige, semido- kumentaris­ch und fast altmodisch anmutende Bildästhet­ik, generiert durch das iPhone.

Es gibt manchen Moment in diesem Film, der Elemente aus den Genres Horror, Psychothri­ller und Gesellscha­ftskritik vereint, da man sich zurücksehn­t zur farbselige­n Leichtigke­it und stilistisc­hen Brillanz von Soderbergh­s Vorgängerw­erk, dem wunderbare­n „Logan Lucky“aus dem Herbst 2017. „Unsane“wirkt wie ein Gegenentwu­rf: viel ernster, viel düsterer, viel schwerer als die mit Channing Tatum und Daniel Craig besetzte Einbruchsk­omödie. Der neue Film aber knüpft mit seiner Kritik an einer nur vermeint- lich aufs Patientenw­ohl ausgericht­eten Pharma- und Psycho-Industrie gekonnt an einen anderen Soderbergh-Film an: „Side Effects“von 2013.

Schließlic­h gibt es Momente, in denen Soderbergh seine Genialität auch in „Unsane“unter Beweis zu stellen vermag: In der kurzen, völlig unerwartet­en Szene etwa, die Matt Damon als Ratgeber in puncto Stalking-Prävention zeigt. Damon spricht einen Satz, der sehr schön unterstrei­cht, dass Steven Soderbergh, dieser fürs zeitgenöss­ische US-Kino so wichtige Filmemache­r, seinen Humor und seine Selbstiron­ie nicht eingebüßt hat: „Das Bewertung:

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FOTO: AP Szene aus Steven Soderbergh­s Film „Unsane“: Claire Foy (vorne) als Patientin wider Willen und Juno Temple als Zimmergeno­ssin. Die Kamera in seinem Handy-Thriller führte Regisseur Soderbergh höchstselb­st.

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