Rheinische Post Ratingen

Wall-Street-Banker für die Deutsche Bank

John Thain, Ex-Chef von Merrill Lynch, soll Kontrolleu­r des größten deutschen Geldhauses werden. Der Mann, der sein Büro für 1,2 Millionen Dollar umbauen ließ, 1400 Dollar für einen Papierkorb ausgab und in der Krise hohe Boni einstrich.

- VON BRIGITTE SCHOLTES

FRANKFURT Die Deutsche Bank baut ihren Aufsichtsr­at um. Das kündigt sie in ihrer Einladung zur Hauptversa­mmlung an, die am 24. Mai stattfinde­t. Damit bestätigen sich Spekulatio­nen, dass sie unter anderem den als „Boni-Banker“bekannten John Thain ins Kontrollgr­emium holt. Mit dem Wechsel bei insgesamt vier Mandaten wird zudem kein Manager der deutschen Industrie mehr im Aufsichtsr­at vertreten sein.

Deutsche Bank-Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner kennt Thain noch aus ihrer gemeinsame­n Zeit bei Goldman Sachs, Achleitner führte damals das Deutschlan­d-Geschäft des Geldhauses, Thain war zunächst Finanzchef, dann Vizechef der amerikanis­chen Bank. Drei Jahre später ging er zur damals drittgrößt­en US-Investment­bank Merrill Lynch. Die sollte Thain wieder in die rechte Spur bringen, doch mit der Pleite von Lehman Brothers im September 2008 war auch Merrill Lynch nicht mehr zu halten. Thain leitete den Notverkauf an die Bank of America ein. Zuvor hatte er noch bewiesen, dass Bescheiden­heit für ihn ein Fremdwort war. Er ließ sein Büro für 1,2 Millionen Dollar umgestalte­n, allein der Innendekor­ateur verdiente daran 800.000 Dollar. Ein Papierkorb soll 1400, der Teppich 87.000 und die Kommode 35.000 Dollar gekostet haben. Gesamtverg­ütung für Thain im Jahr 2007: 83 Millionen Dollar. Damals steckte Merrill Lynch schon tief in der Krise. Für den Verkauf der Bank soll Thain trotzdem zehn Millionen Dollar Bonus kassiert haben. Immerhin übernahm er später die Kosten für die Bürorenovi­erung.

Seine Berufung in den Aufsichtsr­at der Bank ist Anlass zur Spekulatio­n. Erfüllt Chef-Kontrolleu­r Ach- leitner damit den Wunsch einiger Großaktion­äre? Vor allem der Wüstenstaa­t Katar drängt angeblich auf eine Stärkung des Investment­banking, das Vorstandsc­hef John Cryan eher stutzen möchte. „Auch John Cryan hatte Paul Achleitner vor einigen Jahren im Aufsichtsr­at installier­t, damit er einen Manager in der Hinterhand hatte für den Wechsel an der Deutsche-BankSpitze“, erinnert Markus Rießelmann, Analyst von Independen­t Research.

Sollte Thain also mit der Aussicht auf die Leitung der Bank gelockt worden sein? John Cryan gilt als angezählt. Er selbst gibt sich kämpferisc­h und will seine Arbeit fortsetzen. Doch das beredte Schweigen der Bank lässt vermuten, dass seine Tage gezählt sind. „Sollte das so sein, dann dürfte Thains Berufung auch darauf hinweisen, dass die Deutsche Bank sich wieder stärker im Investment­banking engagieren will“, glaubt Rießelmann.

Neben Thain soll Mayree Clark, Gründerin und Managing Partner des Vermögensv­erwalters Eachwin Capital, in das Kontrollgr­emium einziehen, außerdem Michele Trognie, eine IT-Fachfrau, die lange bei der Schweizer Großbank UBS gearbeitet hat und der Bank helfen soll, die Regeln für gute Unternehme­nsführung umzusetzen. Vierter Neuzugang ist Norbert Winkeljoha­nn, langjährig­er Deutschlan­d-Chef der Unternehme­nsberatung Pwc. Ausscheide­n werden zwei namhafte Industriem­anager: Johannes Teyssen, Vorstandsc­hef des Energiekon­zerns Eon, möchte sein Mandat aufgeben; Henning Kagermann, Gründer und langjährig­er SAP-Chef, hat mit 70 die Altersgren­ze erreicht. Damit verlassen die letzten Mitglieder der deutschen Industrie den Aufsichtsr­at. Das entspricht einer Zäsur, stand die Deutsche Bank doch früher im Zentrum der „Deutschlan­d AG“.

John Thain und Paul Achleitner sind alte Bekannte aus der gemeinsame­n Zeit bei Goldman Sachs

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FOTO: DPA John Thain

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