Rheinische Post Ratingen

Sewing leitet die Deutsche Bank

Nach nur drei Jahren an der Spitze des Geldhauses räumt John Cryan seinen Posten mit sofortiger Wirkung. Sein Nachfolger kommt aus den eigenen Reihen. Die Berufung von Privatkund­enchef Christian Sewing könnte weitere personelle Folgen haben.

- VON FLORIAN RINKE

FRANKFURT An seinem ersten Tag als Deutsche-Bank-Chef hat John Cryan einen Brief an die Mitarbeite­r geschriebe­n. „Ich werde Ihnen nicht sagen, dass in den nächsten Monaten alles harmonisch und ohne Probleme verlaufen wird“, schrieb der Brite im Juli 2015.

Er sollte recht behalten: Zunächst strich der neue Mann an der Spitze Filialen und Personal, wenig später musste er einen Milliarden­verlust bekannt geben. Doch besser wurde es seitdem nicht: Der Aktienkurs des wichtigste­n deutschen Geldhauses hat in den vergangene­n drei Jahren zwei Drittel seines Werts verloren und dümpelt momentan bei knapp elf Euro. Drei Jahre in Folge schrieb die Bank tiefrote Zahlen.

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Gestern Abend hat der Aufsichtsr­at in einem Krisentref­fen die Reißleine gezogen. John Cryan muss das Amt mit sofortiger Wirkung abgeben. Sein Nachfolger wird Privatkund­enchef Christian Sewing. Mit ihm nimmt ein Eigengewäc­hs auf dem Chefsessel Platz. Seit knapp drei Jahrzehnte­n arbeitet der heute 47-Jährige bei der Bank, bei der er bereits seine Ausbildung in einer Bielefelde­r Filiale absolviert­e. 2015 stieg er in den Vorstand auf, wo er für das Privatkund­engeschäft zuständig ist. Zu seinen Aufgaben gehörte dabei unter anderem die Integratio­n der Postbank und die Schließung von Deutsche-Bank-Filialen.

Sewing, der unter der Woche in Frankfurt lebt und an den Wochenende­n zu seiner Familie nach Osnabrück pendelt, kennt allerdings auch das Investment­banking des Konzerns gut aus seiner Zeit im Risikomana­gement. Das Sorgenkind des Konzerns dürfte seine größte Aufgabe werden.

Denn das Geschäft, jahrelang die Gewinnmasc­hine der Deutschen Bank, ist seit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkris­e 2008 um- stritten – immerhin hatten hier viele der späteren Probleme der Deutschen Bank ihren Ursprung. Skandale wie die Manipulati­on von Referenzzi­nssätzen oder fragwürdig­e Deals rund um US-Hypotheken­papiere kosteten die Bank Milliarden.

Das Problem hatte auch Cryan erkannt, war jedoch zuletzt nach einer Gewinnwarn­ung und einem massiven Absturz des Aktienkurs­es immer stärker unter Druck geraten. Höhepunkt waren dann vor Ostern Berichte, wonach Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner einen Nachfolger für den Briten sucht. Der 57-jährige Cryan, dessen Vertrag eigentlich noch bis 2020 läuft, bekräftigt­e daraufhin zwar, er wolle bleiben. Rückendeck­ung aus dem Kontrollgr­emium oder von Achleitner persönlich bekam er jedoch nicht.

Dabei hat er viele Probleme geerbt. Die Verluste der vergangene­n Jahre resultiert­en unter anderem aus der Beilegung teurer Rechtsstre­itigkeiten, die in den Amtsjahren seiner Vorgänger ihren Ursprung hatten. Dem ehemaligen UBS-Finanzchef gelang es, mehrere dieser juristisch­en Altfälle endlich zu beenden, das Institut mit einer milliarden­schweren Kapitalerh­öhung zu stärken und die Fondstocht­er DWS an die Börse zu bringen.

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FOTO: DPA Christian Sewing leitete bislang das Privatkund­engeschäft der Deutschen Bank. Nun ist der 47-Jährige, der in seiner Karriere fast ausschließ­lich für die Frankfurte­r arbeitete, an die Spitze des Geldhauses gerückt.

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