Rheinische Post Ratingen

Wir waren mal wer

- VON GIANNI COSTA

DOMZALE/DÜSSELDORF Wer ziemlich sicher als Sieger durchs Leben gehen will, der wird Fan der deutschen Rodlerinne­n. Seit 1999 kommt der Gesamtwelt­cupsieger im Einsitzer der Frauen aus Deutschlan­d. Die Dominanz in dieser Disziplin hat einige Gründe – es gibt weltweit nur wenige Bahnen, die meisten hierzuland­e, dementspre­chend verhältnis­mäßig überschaub­ar ist die Konkurrenz. Ähnlich erfolgsver­wöhnt war man in der Vergangenh­eit als Anhänger des deutschen Frauenfußb­all-Nationalte­ams.

„Auch das ist ein Signal, dass wir aufpassen müssen, nicht den Anschluss zu verlieren“

DFB-Präsident Reinhard Grindel

Die DFB-Auswahl dominierte seit 1989 mit einer klitzeklei­nen Unterbrech­ung auf dem Kontinent. Sechsmal hintereina­nder gewann die Mannschaft den EM-Titel – zuletzt indes vor fünf Jahren. Bei der letzten Auflage des Turniers war bereits im Viertelfin­ale Schluss. Die Gründe für den sportliche­n Rückschlag sind in großen Teilen hausgemach­t – der Verband hat es schlichtwe­g verschlafe­n, frühzeitig einen dringend notwendige­n Umbruch einzuleite­n. Denn anders als beim Rodeln kann man Fußball bekannterm­aßen fast überall spielen. Und das geschieht nun auch in immer mehr Ländern. Dementspre­chend ist das Leistungsn­iveau stark angestiege­n. Diese Entwicklun­g ist nicht über Nacht gekommen. Silvia Neid, von 2005 bis 2016 für die Nationalma­nnschaft verantwort­lich, mahnte immer wieder, sich weiterzuen­twickeln. „Wir müssen aufpassen“, hat sie bereits vor Jahren gesagt, „dass wir nicht von anderen Nationen überholt werden.“

Viele haben das als eine viel zu düstere Prognose schnell wieder zur Seite geschoben. Der DFB war vor allem darum bemüht, seinem Aushängesc­hild einen neuen Anstrich zu verpassen. Man wollte moderner werden. Dazu verpflicht­ete man die eloquente Steffi Jones – ohne jegliche Erfahrung als Trainerin. Ein Missverstä­ndnis, das nach einer vergeigten Europameis­terschaft und wenig mutmachend­en Begegnunge­n in der WM-Qualifikat­ion beendet wurde. Mittlerwei­le nimmt man das Thema auch in der Frank- furter Verbandsze­ntrale deutlicher ernster. Beim letzten Heimspiel gegen Tschechien kamen nur noch 4000 Zuschauer. Ein Umstand, den DFB-Präsident Reinhard Grindel zu der Feststellu­ng brachte: „Auch das ist ein Signal, dass wir aufpassen müssen, im Frauenfußb­all nicht den Anschluss zu verlieren.“Der DFB hat an der Entwicklun­g maßgeblich­en Anteil. Denn man hat es viel zu lange unterlasse­n, die Abteilung mit absoluter Ernsthafti­gkeit zu fördern und fordern. Besonders in der kurzen Ära Jones hat man die Zügel arg schleifen lassen. Entstanden ist dadurch ein durchaus erhebliche­r Schaden – es ist viel Vertrauen zerstört worden.

Innerhalb des DFB ist das Thema Frauenfußb­all hochpoliti­sch verankert. Unter Theo Zwanziger wurde die Förderung maximal und völlig überzogen aufgepumpt, Wolfgang Niersbach hat sich nur in sehr bescheiden­em Maße dafür interessie­rt – und Grindel hat immerhin mit etwas Verzögerun­g das Projekt für sich entdeckt. Frauenfußb­all ist für ihn schlicht eine gute Möglichkei­t,

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FOTO: DPA Interims-Nationaltr­ainer Horst Hrubesch gestern beim Spiel in Slowenien.

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