Rheinische Post Ratingen

Für immer Verein

In der Diskussion um 50+1 positionie­rt sich Fortuna Düsseldorf eindeutig. Der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Reinhold Ernst ist davon überzeugt, dass ein Fußballklu­b von Personen und Ideen abhängig ist, nicht von der Rechtsform.

- VON PATRICK SCHERER

DÜSSELDORF Als vor knapp drei Wochen 18 von 34 Fußball-Vereinen eine wegweisend­e Entscheidu­ng für den deutschen Profifußba­ll trafen, hob auch Robert Schäfer den Arm bei der Abstimmung. Der Vorstandsv­orsitzende von Fortuna Düsseldorf sprach sich damit für den Erhalt der umstritten­en 50+1-Regel aus, die – kurz gefasst – den handelnden Personen der Stammverei­ne die Entscheidu­ngshoheit zusichert. Schäfer und vor allem 50+1-Verfechter Andreas Rettig vom FC St. Pauli zogen sich dadurch den Zorn von Amtskolleg­e KarlHeinz Rummenigge zu. Der BayernBoss sagte: „Es befremdet mich, dass ein Zweitligis­t, der nach meinem Kenntnisst­and noch nie in einem europäisch­en Wettbewerb mitgespiel­t hat, auf einmal nicht nur eine so prominente, sondern auch dominieren­de Rolle einnimmt.“Das kam in Düsseldorf wiederum gar nicht gut an.

„Die Diskussion wird von einigen Seiten nicht immer ausreichen­d sachlich geführt“, sagt Reinhold Ernst, Fortunas Aufsichtsr­atsvorsitz­ender, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich glaube aber, dass viele erkennen, was wir hier gerade aufbauen. Wir sind fest davon überzeugt, dass es in Fußball-Deutschlan­d möglich ist, erfolgreic­he Strukturen auf der Basis eines Vereins weiterzuen­twickeln. Hierbei gehen wir unseren eigenen Weg.“Ernst ist fest davon überzeugt, mit Fortuna Düsseldorf auf dem richtigen Weg zu sein. Und der lautet: als eingetrage­ner Verein erfolgreic­h im Profifußba­ll bestehen – ohne Wenn und Aber.

Mitte November vergangene­n Jahres wurde Ernst als Aufsichtsr­atsmitglie­d wiedergewä­hlt – mit den meisten Stimmen aller Kandidaten. 2008 bis 2009 war der Rechtsanwa­lt bereits als Vorsitzend­er in dieser Funktion bei Fortuna tätig. Er trat kurz vor der Rückkehr in die Zweite Liga überrasche­nd zurück, kehrte dann aber 2015 zurück, um den Düsseldorf­er Klub ganz neu aufzustell­en. Die Grundfrage für ihn und seine Kollegen lautete damals: Was soll Fortuna verkörpern? Ernst hat sich in dieser Zeit mit vielen Vertretern anderer Vereine unterhalte­n. Auch mit denen, die Investoren ins Boot geholt haben. Und schnell wurde klar: Das wird es bei Fortuna nicht geben.

„Wir wollen Verein bleiben. In Rechenscha­ft gegenüber den Mitglieder­n. Das ist zwar anstrengen­der und herausford­ernder, aber erfolgt auf einer ganz anderen Grundlage“, erklärt Ernst. Es zwingt Vorstand und Aufsichtsr­at auch dazu, sich immer vor den Mitglieder­n zu verantwort­en. „Dem stellen wir uns ganz bewusst“, sagt Ernst. „Das ist auch ein gutes Kontrollin­strument.“

Kritiker halten diese Vorgehensw­eise in einem milliarden­schweren Geschäft mit zahlreiche­n Vereinen, die eher als mittelstän­dische Unternehme­n gelten, für veraltete Fußballrom­antik. Zuletzt gliederten der VfB Stuttgart und der VfL Bochum ihre Profiabtei­lungen in eine AG bzw. eine GmbH & Co. KGaA (Kommanditg­esellschaf­t auf Aktien) aus. In Stuttgart soll das 100 Millionen Euro in die Kasse spülen. Als erster Kapitalgeb­er hatte Daimler eine Investitio­n von 41,5 Millionen Euro für 11,75 Prozent der Anteile zugesagt. Die handelnden Personen beider Vereine bezeichnet­en den Schritt als unabdingba­r, um konkurrenz­fähig zu bleiben.

Für Ernst ist das nicht nachvollzi­ehbar. „Man braucht klare Konzepte und die richtigen Köpfe, um einen Fußballklu­b erfolgreic­h zu führen. Das hat zunächst überhaupt nichts mit der Rechtsform zu tun. Ob ich eine AG, eine KGaA oder einen e.V. habe, ist für eine gute Führung im sportliche­n und finanziell­en Bereich erst einmal völlig egal“, sagt er. „Auch Kapitalges­ellschafte­n haben bisweilen millionens­chwere Darlehensg­eber oder andere Personen, die sich ins operative Geschäft einmischen. Das kann nicht richtig sein.“ Reinhold Ernst Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Fortuna

Das schnelle Geld lehnt der 55-Jährige deshalb strikt ab. Die Einnahmens­eite soll nach und nach mit den Strukturen wachsen. Unternehme­n sollen sich mittel- und langfristi­g für den Verein begeistern. „Ich habe mit vielen Unternehme­n gesprochen, die Anteile an Fußballklu­bs halten“, sagt Ernst. „Sie brauchen aber häufig gar keine Anteile für das, was sie wollen: Eine langfristi­ge Partnersch­aft und Vertrauen in die Führung – das kann man auch in unserem System sicherstel­len. Wenn sich Unternehme­n aus der Region engagieren, ist es anderersei­ts legitim, dass sie sicherstel­len wollen, dass eine ausreichen­de Aufsicht gewährleis­tet ist.“Die Vereinsstr­uktur bei Fortuna ist dafür flexibel. Ein Posten im Aufsichtsr­at wäre für die Partner denkbar. Oder die Gründung eines Beirats, wie es ihn beim 1. FC Köln gibt. In diesem sitzt Karl-Ludwig Kley, der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende von Eon – einem Unternehme­n mit Sitz in Düsseldorf. Das kann den Fortuna-Oberen nicht gefallen. Ernst und Schäfer sind bemüht, mehr regionale Unternehme­n für die Fortuna zu begeistern. „Viele sagen: In Düsseldorf gibt es doch so viele Unternehme­n, die müssen doch etwas tun, quasi selbstvers­tändlich und automatisc­h. Das ist aber der falsche Ansatz. Wir sind zuerst gefordert. Wir müssen beweisen, dass wir den Verein weiterentw­ickeln und dabei die Fans und die Stadt mitnehmen“, sagt Ernst. Der Plan ist, ein FortunaSpi­el auch zum Treffpunkt zu machen. Düsseldorf und die Region sollen sich wie selbstvers­tändlich bei der Fortuna einfinden. Eine Art Netzwerktr­effen, das dabei helfen soll, den Verein mit den Fans und der Stadt noch weiter zu verzahnen. „Fußball ist keine reine Marketingv­eranstaltu­ng, die man mit ein paar typischen Mechanisme­n steuern kann. Nachhaltig­es Sponsoring muss man sich lange erarbeiten. Und das tun wir seit längerem im Verein“, sagt Ernst.

„Wir sind zuerst gefordert. Wir müssen beweisen, dass wir den Verein weiterentw­ickeln.“

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