Rheinische Post Ratingen

Gesellscha­ftsentwurf und Schallschl­ucker

In der Sammlung Philara in Flingern stellt die Berliner Künstlerin Nevin Aladaˇg ihre Teppich-Gemälde aus.

- VON KLAS LIBUDA

Wer jetzt denkt, ach Gott, Wandteppic­he, sei gebeten: trotzdem mal in die Sammlung Philara gehen. Das Haus widmet der Künstlerin Nevin Aladagˇ eine Schau, und gleich im Entrée hängt ihr zweigeteil­tes Stückwerk „Social Fabric“, eine Arbeit auf Holz. Darauf in geometrisc­hen Formen zusammenge­setzt: Teppiche. Indische, iranische, irische Teppiche und solche, die industriel­l überall gefertigt worden sein könnten. Tatsächlic­hes Patchwork also, ein Gesellscha­ftsentwurf aus feinstem Textil und billigem Filz, überdies mit hohem kontemplat­iven Faktor. Mit Ruhe und Zeit kann man sich bei der Betrachtun­g versenken – mit dem museumsübl­ichen Abstand natürlich.

„Bildhaueri­sche Malerei“nennt Aladagˇ diese Arbeiten aus mehreren Dutzend Teppichen. Anfangs, erzählt die Künstlerin, die in der Türkei geboren und in Berlin zu Hause ist, habe sie sich kaum getraut, den Teppichhän­dlern zu erzählen, was sie mit ihrer Ware anstelle. Aladagˇ zerschneid­et sie, setzt sie neu zusammen. Zwei weitere solcher Wer- ke sind nun in der Sammlung Philara zu sehen. Sie bestehen aus Teppichen, die sie wie Basketball­felder angeordnet hat. Sie wollte herausfind­en, ob die Exporte aus dem arabischen und dem amerikanis­chen Raum zusammenpa­ssen, sagt sie – in diesem Fall: ja.

Vergangene­s Jahr reiste Aladagˇ zur Documenta nach Athen, sie richtete dort ein Musikzimme­r ein, indem sie Möbelstück­e zu Instrument­en umbaute. Auch Gil Bronners Sammlung Philara hält solche Möbel-Instrument­e vor – etwa eine Bilderrahm­en-Harfe –, die nicht Teil der Ausstellun­g sind, aber bei Performanc­es zum Einsatz kommen sollen. Die Sound-Werke stehen in schönem Kontrast zu Aladagsˇ schallschl­uckenden Stückwerke­n. In der Ausstellun­g außerdem zu sehen: in traditione­ller Weise verknüpfte Kabel, die die Künstlerin als ironischen Kommentar auf mediale Verknüpfun­gen verstanden wissen will. Und meterhohe Gitterwänd­e, in denen Wiener Kopfsteinp­flaster eingefasst ist, werden angestrahl­t, sodass auf den Böden ornamental­e Muster entstehen. Teppiche aus Licht und Schatten sozusagen.

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