Rheinische Post Ratingen

Unionsfrak­tion lässt Frankreich schmoren

CDU und CSU treten bei den EU-Reformen Macrons auf die Bremse, die Kanzlerin drückt aufs Tempo. Ebenso die SPD.

- VON K. DUNZ UND B. MARSCHALL

BERLIN Es ist verlockend, was die Kanzlerin da von der neuseeländ­ischen Ministerpr­äsidentin Jacinda Ardern erfährt: In ihrem Land müssen die Partner der Dreierkoal­ition nicht alle ein Dokument haben, sondern jeder darf sein eigenes formuliere­n. „Das hatten wir noch nicht in Betracht gezogen in Deutschlan­d“, sagt Merkel gestern beim Besuch Arderns in Berlin. Gerade in der Europapoli­tik wäre das für Merkel jetzt aber praktisch, denn CDU, CSU und SPD versuchen gerade, den gemeinsame­n Koalitions- vertrag unterschie­dlich auszulegen. Es geht darum, was bis zum EU-Gipfel im Juni an Reformvors­chlägen des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und der EU-Kommission umgesetzt werden kann.

Im Koalitions­vertrag heißt es, Deutschlan­d sei zu höheren Beiträgen zum EU-Haushalt bereit und wolle in enger Partnersch­aft mit Frankreich die Eurozone nachhaltig stärken und reformiere­n. Nun kommt die Ausgestalt­ung, und da treten CDU und CSU auf die Bremse. Das ist nicht in Merkels Sinne, weil Macron und die EU ohnehin schon seit Monaten auf Deutsch- land warten. So fordert sie mehr Tempo bei den Bemühungen und kündigt an: „Wir werden zum Juni hin mit Frankreich gemeinsame Lösungen finden.“Es werde ein starkes Paket geben. Dazu zählt sie auch die Schaffung der Bankenunio­n und den Erhalt der Wettbewerb­sfähigkeit der EU durch eine entspreche­nde Finanzauss­tattung. Sie versichert, Deutschlan­d werde „seine eigenständ­igen Beiträge“einbringen.

Bei CDU und CSU gibt es unter anderem Bedenken gegen eine Vertiefung der Einlagensi­cherung bei Banken ohne vorherige Risikomini­mierung. Unionsfrak­tionschef Vol- ker Kauder betont, dass erst einmal die Risiken in den nationalen Banken gesenkt werden müssten. CDU und CSU gehen auch auf Distanz zu Macrons Forderung nach einem eigenen Haushalt für die Eurozone. Erst einmal müsse der EU-Haushalt geklärt werden. Die SPD mahnt unterdesse­n, die Einführung eines Investivha­ushalts für die Eurozone müsse endlich vorankomme­n.

Bei der geplanten Weiterentw­icklung des Rettungsme­chanismus ESM zu einem Europäisch­en Währungsfo­nds (EWF) pocht die Union auf die Zustimmung­srechte des Bundestags. Das Haushaltsr­echt ist quasi ein „Königsrech­t“des Parlaments in Deutschlan­d, verfassung­srechtlich verankert. Die Union will verhindern, dass der EWF zu einem kaum mehr zu kontrollie­renden Finanzinst­rument wird, für dessen Aktivitäte­n deutsche Steuerzahl­er aber maßgeblich haften müssten. Merkel versichert, dass der EWF nur mit einer Änderung der EU-Verträge möglich gemacht werden könne, wodurch der Bundestag seine Entscheidu­ngshoheit über die Finanzen behielte. In der Unionsfrak­tion gab es gestern aber ausdrückli­ch nur eine „Orientieru­ngsdebatte“und keine Festlegung für Merkel.

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