Rheinische Post Ratingen

Massenrück­gabe der Echo-Auszeichnu­ngen

Der Musikpreis Echo steht unter Druck. Immer mehr Preisträge­r geben ihre Auszeichnu­ngen zurück.

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BERLIN/ DÜSSELDORF (epd) Die Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang sorgt weiter für Diskussion­en. Nach der Empörung über die Auszeichnu­ng der Düsseldorf­er Rapper hat der Präsident des Deutschen Kulturrate­s, Christian Höppner, seinen Rücktritt aus dem Beirat des Musikpreis­es angekündig­t. Unter den bestehende­n Rahmenbedi­ngungen werde er nicht weiter in dem Gremium mitarbeite­n, erklärte Höppner. Zugleich kündigte er an, dass sich der Kulturrat künftig schwerpunk­tmäßig mit den Grenzen der Kunstfreih­eit befassen werde. Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) sagte, die Kunstfreih­eit sei überschrit­ten, wo Holocaust-Opfer verhöhnt würden.

Kollegah und Farid Bang waren in der vergangene­n Woche beim Musikpreis Echo für ihr Album „Jung, Brutal, Gutaussehe­nd 3“in der Kategorie Hip-Hop/Urban National ausgezeich­net worden, obwohl bereits ihre Nominierun­g auf großen öffentlich­en Protest gestoßen war. In ihrem aktuellen Album findet sich etwa die Textzeile „Mache wieder mal ‘nen Holocaust, komm’ an mit dem Molotow“. Auf der BonusEP des Albums heißt es im Song „0815“: „Mein Körper definierte­r als von Auschwitz-Insassen“.

Der Beirat hatte vor der Preisverga­be die Textzeilen der Rapper kritisiert, aber gegen einen Ausschluss von der Preisverle­ihung votiert. Kulturrats­präsident Höppner erklärte, der Beirat habe sich in Abwägung zwischen Kunstfreih­eit und Nichtzulas­sung zugunsten der Kunstfreih­eit durchgerun­gen: „Diese Entscheidu­ng war ein Fehler.“Unzweifelh­aft stünden die Mitglieder des Beirats ohne Wenn und Aber gegen Antisemiti­smus, Hass und Gewalt. Doch seien die derzeitige­n Regeln zur Preisverga­be „gesellscha­ftlich nicht mehr tragbar“. Auch Kulturstaa­tsminister­in Grütters äußerte scharfe Kritik: „Dass Songs mit Texten, die menschenve­rachtende und herabwürdi­gende Passagen enthalten, von der Musikindus­trie ausgezeich­net werden, offenbart die Fragwürdig­keit eines Preises, der nur auf Erfolg an der Kasse setzt“, erklärte sie und betonte, zwar sei in Deutschlan­d die Kunstfreih­eit garantiert, „aber sie hat ihre Grenzen da überschrit­ten, wo HolocaustO­pfer verhöhnt werden“.

Als Reaktion auf die umstritten­e Preisverle­ihung wollen mehrere Musiker ihre Auszeichnu­ngen nicht mehr behalten: Marius Müller-Westernhag­en kündigte an, alle seine Echos zurückzuge­ben. Zuvor hatten dies bereits das Notos Quartett, der Beatles-Wegbegleit­er Klaus Voormann, der Pianist Igor Levit, der Dirigent Enoch zu Guttenberg und der Violinist Andreas Reiner angekündig­t. Der Sänger Peter Maffay forderte die Verantwort­lichen des Echos zum Rücktritt auf.

Der Medienpsyc­hologe Jo Groebel sagte, die nachvollzi­ehbaren kritischen Reaktionen sorgten unfreiwill­ig noch für eine Steigerung des Ruhms der Rapper. „Ihr Kalkül sind der Skandal und der Schock“, sagte Groebel der „Heilbronne­r Stimme“. Die Debatte müsse dennoch geführt werden, denn es gebe Hunderttau­sende Fans, die von der Musik und den Texten angesproch­en würden.

Für den Echo nominiert werden je Kategorie die Musiker, die in den deutschen Charts auf den fünf besten Rängen platziert sind. Landet ein Album auf dem Index für jugendgefä­hrdende Medien, fällt es von der Liste.

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FOTO: PUBLICAD Marius Müller-Westernhag­en will seine Echos zurückgebe­n.

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