Rheinische Post Ratingen

Vom Mitglied der DKP zur feinsinnig­en Lyrikerin

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Eine echte 68erin konnte sie am Ende der Zeit studentisc­hen Aufbegehre­ns doch nicht sein. Doch ohne 1968 wäre Ulla Hahn nicht die geworden, die sie heute ist: Ihr Selbstbewu­sstsein, ihre Selbststän­digkeit und ihre Überzeugun­g, nur das zu tun, was einem das Herz und die Leidenscha­ft vorgibt, hat sie, das katholisch erzogene Arbeiterki­nd aus Monheim erst in den „verwirbelt­en“Jahren des Protests gelernt. Zu-

Für die gebürtige Monheimeri­n war die Zeit der Revolte prägend.

nächst und rheinisch geruhsamer in Köln, dann – politisch schärfer und konsequent­er – in Hamburg. Ulla Hahn wird DKP-Mitglied, eine engagierte Genossin, weil die Kommuniste­n doch für die Arbeiter sind. Dass die Wirklichke­it anders aussieht, muss sie dann bei einem Besuch im benachbart­en Arbeiter- und Bauernstaa­t erfahren. Die Entfremdun­g zu Partei und Revolution wächst. Doch ein Ausweg ist für sie in Sicht und war eigentlich immer schon präsent: Auf ihrem Nachttisch liegt in dieser Zeit neben dem Parteibuch Hölderlins „Hyperion“. Und die Dichtung wird am Ende siegen; sie wird ihre Rettung und eine Art Befreiung sein. Lyrik statt Klassenkam­pf, schöne Worte statt nachgebete­te Parolen. Ulla Hahn hat mit 1968 nicht abgerechne­t, aber sie hat „ihre“Revolte Literatur werden lassen, mit dem letzten Band ihrer Autobiogra­fie, „Wir werden erwartet“.

Lothar Schröder

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