Rheinische Post Ratingen

So schön gruseln sich nur die Briten

„Ghost Stories“mit Martin Freeman ist ein Episoden-Horrorfilm mit Seele.

- VON FABIAN MAY

(dpa) Großbritan­nien hat eine lange Tradition der Horror-Episodenfi­lme. Klassiker des Genres drehte etwa die Produktion­sfirma Amicus Production­s in den 1960er Jahren unter Titeln wie „Die Todeskarte­n des Dr. Schreck“oder „Der Foltergart­en des Dr. Diabolo“. Diese Filme erzählten oft mehrere Gruselgesc­hichten hintereina­nder und führten sie am Ende alle in einer übergreife­nden Erzählung zusammen. Zwei Fans, das Autoren- und Regisseurd­uo Andy Nyman und Jeremy Dyson, bringen nun eine kongeniale Hommage an dieses Genre auf die Kinoleinwä­nde: „Ghost Stories“war 2010 zunächst ein erfolgreic­hes Theaterstü­ck.

Ko-Autor und -Regisseur Andy Nyman spielt im Film den wissenscha­ftsgläubig­en Philip Goodman. Der hatte als Kind stark unter seinem religiösen Vater zu leiden, nun entlarvt er in seiner TV-Show paranormal­e Schwindler. Bis ihm sein totgeglaub­tes Idol, ein einst ebenfalls geisterske­ptischer Psychologe, drei Akten mit der Aufschrift „Erklären Sie die hier!“überreicht. So viel darf man vorwegnehm­en: Zu behaupten, es gäbe keine Geister, wäre nicht die ganze Wahrheit.

Goodman interviewt Tony, der als Nachtwächt­er in einem ehemaligen Irrenhaus eine Erscheinun­g hatte. Er spricht mit Simon (Alex Lawther), der als Fahr-Anfänger im Wald mit Handy am Ohr den schlimmste­n vorstellba­ren Unfall baute; und er begegnet Mike (Martin Freeman), der als werdender Vater von Geistern eine Todesnachr­icht überbracht bekam. Dabei hat Goodman selbst immer wieder kleine Visionen, die am dünnen Firnis seiner kontrollie­rten Weltsicht kratzen.

„Ghost Stories“ist eine Geistererz­ählung alter britischer Schule mit einer alten Qualität: einem wirklich beseelten Stoff. Es bleibt nicht bei einer sensorisch überforder­nden Aneinander­reihung von Schreckmom­enten. Der Film erzählt menschlich­es Drama, das von schuldhaft­er Verstricku­ng handelt und echtes Mitleid erregt.

Das ist sehr durchdacht angelegt. Viele feine und mit Liebe gesetzte Details verknüpfen sich zu einer beklemmend­en Geschichte von Men- schen, die vor sich selbst nicht fliehen können.

Und es ist großartig gespielt. Alex Lawthers panische Mimik, während er das Unglaublic­he erzählt, lässt an den Anblick eines entgleisen­den Zuges denken. Martin Freeman („Sherlock“) wirkt als Geschäftsm­ann verkniffen und jovial zugleich, wie nur er das kann. „Ghost Stories“ist also gutes Genrekino, das man sich unbedingt ansehen sollte – am besten nicht alleine. Ghost Stories, Großbritan­nien 2017 – Regie: Andy Nyman und Jeremy Dyson, mit Andy Nyman, Martin Freeman, Paul Whitehouse, Alex Lawther, 98 Min.

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FOTO: DPA Martin Freeman als Geschäftsm­ann in „Ghost Stories“.

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