Rheinische Post Ratingen

Gollum hat einen Film gedreht

„Solange ich atme“ist das Regiedebüt von Andy Serkis („Der Herr der Ringe“).

- VON ANTJE WESSELS

(dpa) Berühmt wurde Andy Serkis mit großen Kinoerfolg­en: Er spielte den Gollum in „Der Herr der Ringe“und den Schimpanse­n Caesar in der „Planet der Affen“-Trilogie. Sein Gesicht aber kennen trotzdem nur wenige, wurden seine Bewegungen in diesen Werken doch mittels Motion-Capture-Technik eingefange­n und am Computer umgewandel­t. Nun wagt sich Serkis hinter die Kamera und legt mit „Solange ich atme“sein Regiedebüt vor.

Der Film ist eine Art Freundscha­ftsdienst, den Andy Serkis seinem Freund Jonathan Cavendish erweisen wollte. Cavendish ist nämlich auch der Nachname der Hauptfigur Robin, die Ende der 1950er Jahre an Polio erkrankte und auf dessen Leidensweg die Erfindung des elektrisch­en Rollstuhls zurückgeht. Jonathan ist Robins Sohn und hat den schwerwieg­enden Krankheits­verlauf seines Vaters zum Teil miterlebt. Auf seinen Erzählunge­n basiert nun „Solange ich atme“.

Als sich Robin (Andrew Garfield) und Diana (Claire Foy) bei einem Sommerfest kennenlern­en, ist es Liebe auf den ersten Blick. Nach wenigen Monaten des Verliebtse­ins folgt die Hochzeit mit anschließe­nder Reise nach Kenia. Doch bald erkrankt Robin an Polio und scheint dem Tode geweiht. Diana aber gibt nicht auf. Mit ihrem Freund, Professor Teddy Hall (Hugh Bonneville), entwickelt sie den Plan für einen Rollstuhl mit eingebaute­m Beatmungsg­erät, der es Robin ermögliche­n soll, sein Leben nicht mehr nur im Bett zu fristen. Es ist der erste Schritt in Richtung einer medizinisc­hen Revolution.

Es ist das Standardar­gument, mit dem sich die Ereignisse einer Geschichte, die auf wahren Gegebenhei­ten basiert, am ehesten rechtferti­gen lassen: Es ist eben alles so passiert! Doch der Mangel an Wahrhaftig­keit ist im Falle von „Solange ich atme“nicht auf die Story an sich zurückzufü­hren, sondern auf die Inszenieru­ng und die Widersprüc­hlichkeite­n innerhalb des Skripts. Mit seiner penetrant vor sich hin dudelnden Jahrmarktm­usik verlieren diverse Momente ihre Tragik, und der wissenscha­ftliche Quanten- sprung, der die Erfindung des erstmalig genutzten Rollstuhls war, wird zu einer Art Versehen erklärt.

Auch sonst ist „Solange ich atme“vielmehr eine verklärend­e Schmonzett­e mit Liebenden, die sich im Sonnenunte­rgang Rührseligk­eiten entgegenha­uchen und auch in den schwersten Momenten immer wieder betonen, dass sie immer füreinande­r da sein werden. So richtig ernst kann man das allerdings nicht nehmen – vor allem Claire Foy ist im Anbetracht der Dialoge aufgeschmi­ssen darin, ihrer Figur sympathisc­he Züge zu verleihen.

Andrew Garfield spielt zwar so solide, wie man es als ans Bett gefesselte­r Schwerstkr­anker kann. Doch ab der Polio-Erkrankung wird Cavendish nicht bloß körperlich zur absolut passiven Figur. Der Film verwehrt den Zuschauern den Zugang zu seinen Empfindsam­keiten. Wenn er mehrmals – in Anbetracht der Umstände durchaus nachvollzi­ehbare – Todessehns­üchte äußert, geht Diana lapidar darüber hinweg, wirft ihm sogar Egoismus vor und bittet ihn, nicht nur an sich zu denken. Serkis verwechsel­t Emotionen mit Gefühlskit­sch. Solange ich atme, Großbritan­nien 2017 – Regie: Andy Serkis, mit Andrew Garfield, Claire Foy, Hugh Bonneville, Tom Hollander, Camilla Rutherford, 118 Min.

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FOTO: DPA Liebe auf den ersten Blick: Andrew Garfield und Claire Foy.

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