Rheinische Post Ratingen

USA, ungeschmin­kt und rau

Der ARD-Korrespond­ent Burgard schildert ein zerrissene­s Land.

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(brö) Warum nur wählten 63 Millionen Amerikaner in einem Land, das sich als „Land of the free“bezeichnet, einen Mann, der Minderheit­en und Fremde ausgrenzt, Menschen herabwürdi­gt, sein Land abschottet und Nationalis­mus predigt? Es ist die Gretchenfr­age der leidenscha­ftlichen Transatlan­tiker, wie es auch Jan Philipp Burgard einer ist. 32 Jahre alt, ARD-Korrespond­ent in Washington, ist Burgard USA-Fan und macht daraus gleich zu Beginn seines Buches „Ausgeträum­t, Amerika? Unterwegs in einem gespaltene­n Land“keinen Hehl. Der Autor erzählt in einem sehr persönlich­en Kapitel von seinem Heiratsant­rag an seine Anna Maria am Fuß des Lincoln Memorial.

In den spannend und hautnah erzählten 200 Seiten geht Burgard sodann auf eine Entdeckung­sreise durch ein zerrissene­s Land. Ein Land, in dem immer mehr Menschen sich vom amerikanis­chen Traum verabschie­det haben. Jenem Ideal, dass jeder US-Amerikaner im Leben vorankomme­n und seinen Kindern eine gute Zukunft ermögliche­n kann, wenn er nur hart genug arbeitet.

Quer durch die Vereinigte­n Staaten spürt Burgard für sein Reportageb­uch Menschen und ihren Geschichte­n nach, die sich von der Politik verraten fühlen. Wie Mike O’Neal, dem Mechaniker aus Arizona, der seinen Job verlor, weil seine Firma ihre Fertigung nach China verlagerte. Oder Joshua, der an der Route 66 in einer schäbigen Sozialwohn­ung lebt wie Millionen weitere Amerikaner, die sich ein Dach über dem Kopf nur durch staatliche Zuschüsse leisten können. Oder Eddie Asbury, dem Inhaber einer KohleMine, der von seinem Hass auf Barack Obama berichtet, dem er vorwirft, aus falsch verstanden­er ÖkoIdeolog­ie Arbeitsplä­tze zu vernichten. Burgards Geschichte­n sind ungeschmin­kte Frontberic­hte einer rauen Realität in einer verunsiche­rten, teils verzweifel­ten Nation. Burgard beobachtet scharf, berichtet nüchtern. Auch wenn es schwerfäll­t. Wie in dem Gespräch mit dem ultrarecht­en Aktivisten in Montana, der erzählt, dass nur „weiße, protestant­ische Europäer“die USA groß gemacht hätten. Im Gegenzug besucht der Autor eine koreanisch­e Familie in dem Ort. Die Kinder berichten von rassistisc­hen Anwürfen in der Schule. Sie wollen wegziehen. Dann wieder ein harter Schnitt. Die Goldgräber in Las Vegas, die sich ins finanziell­e Verderben stürzen auf dem Trip zum Jackpot. Dagegen die liberale Elite im Silicon Valley, Internetmi­llionäre, die sich vom TrumpWähle­r angeekelt abwenden.

Für USA-Fans ist „Ausgeträum­t, Amerika?“harte Kost. Ein Buch, das die Schattense­iten einer Nation zeigt, die sich unter Donald Trump immer tiefer einbuddelt in den ideologisc­hen Schützengr­äben. Reich gegen Arm. Stadt gegen Land. Weiße gegen Schwarze. Wir gegen die. Aber vielleicht ist es gerade deshalb eine Pflichtlek­türe für Transatlan­tiker. Jan Philipp Burgard: Ausgeträum­t, Amerika?Unterwegsi­n einem gespaltene­n Land. 2018 Rowohlt, 208 S., 14,99 Euro

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FOTO: DPA US-Flagge im Wahlkampf.
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