Rheinische Post Ratingen

EU will bis zu zwölf Milliarden mehr

Deutschlan­d, größter Beitragsza­hler, soll künftig noch mehr nach Brüssel überweisen. So sollen das durch den Brexit gerissene Loch im Budget gestopft und neue Aufgaben finanziert werden.

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BRÜSSEL/BERLIN (dpa/qua) Der Gemeinscha­ftshaushal­t der EU soll im kommenden Jahrzehnt trotz des Austritts Großbritan­niens spürbar wachsen. Die EU-Kommission schlug gestern vor, für den Zeitraum von 2021 bis Ende 2027 Mittel in Höhe von 1279 Milliarden Euro einzuplane­n. Deutschlan­d soll dabei künftig deutlich mehr einzahlen, von bis zu zwölf Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr ist die Rede. Zudem schlägt die EU-Kommission Kürzungen bei Fördertöpf­en vor.

Der aktuelle Finanzrahm­en für die Jahre 2014 bis 2020 sieht nach Inflations­anpassunge­n nur 1087 Milliarden Euro vor, ohne Inflations­anpassunge­n sogar nur 964 Milliarden Euro. Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger (CDU) begründet die Mehrausgab­en mit zusätzlich­en Aufgaben, etwa für den Schutz der EU-Außengrenz­en. Gleichzeit­ig musste er wegen des für 2019 geplanten EU-Austritts Großbritan­niens eine Milliarden­lücke stopfen.

Deshalb sollen aus Deutschlan­d – einschließ­lich des Inflations­ausgleichs – künftig jährlich elf bis zwölf Milliarden Euro mehr fließen als bisher. Allein 3,5 bis vier Milliar- den Euro davon seien nötig, um die zu erwartende Brexit-Lücke im Budget zu schließen und neue Aufgaben zu finanziere­n, so Oettinger.

So sollen etwa zum Schutz vor künftigen Finanzkris­en nach dem Willen der EU-Kommission im EUHaushalt zusätzlich­e Mittel zur Verfügung stehen. Im Falle erhebliche­r „asymmetris­cher Schocks“sollten Staaten Kredite in Höhe von bis zu 30 Milliarden Euro zum Schutz des Investitio­nsniveaus in Bildung oder Infrastruk­tur erhalten können, schlug EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker gestern vor. Daneben könnten nach Auffassung der EU-Kommission zusätzlich­e Gelder außerhalb des EU-Budgets zur Verfügung stehen – etwa durch eine Stärkung des Euro-Rettungssc­hirms ESM, der bislang ausschließ­lich von den Euro-Staaten kontrollie­rt wird, und der zu einem europäisch­en Währungsfo­nds ausgebaut werden könnte. Der ESM hat derzeit ein Volumen von rund 500 Milliarden Euro. Die Staaten müssten den Haushaltsv­orschlägen aber einstimmig zustimmen.

Um die Beitragser­höhungen nicht noch höher ausfallen zu lassen, will Oettinger auch die Hilfen für Landwirte und struktursc­hwache Regionen kürzen. Nach den jüngsten von der EU veröffentl­ichten Daten zahlte Deutschlan­d 2016 rund 23,2 Milliarden Euro in den Gemeinscha­ftshaushal­t ein und war damit der mit Abstand größte Beitragsza­hler. Auch Großbritan­nien zahlte bislang als sogenannte­r Nettozahle­r immer deutlich mehr Geld in den EUHaushalt ein, als es wieder herausbeka­m.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz und Außenminis­ter Heiko Maas (beide SPD) reagierten zurückhalt­end auf Oettingers Vorschläge: „Wir sind bereit, für eine Stärkung der EU Verantwort­ung zu übernehmen – dazu gehört aber eine faire Lastenteil­ung aller Mitgliedst­aaten.“Die Summe von rund zwölf Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr für den EU-Haushalt ist bislang nicht in die deutschen Haushaltsp­läne eingestell­t. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion, Ralph Brinkhaus ( CDU), verwies darauf, dass sich Union und SPD im Koalitions­vertrag bereits auf „gewisse Mehrausgab­en“für Europa verständig­t hätten. „Diese Zusage resultiert aus den Herausford­erungen, vor denen wir in Europa stehen, ist aber nicht als Blankosche­ck zu verstehen“, sagte Brinkhaus unserer Redaktion. „Vielmehr werden wir uns in den kommenden Monaten sehr genau anschauen, wofür in dem neuen mehrjährig­en Finanzrahm­en die Mittel ausgegeben werden sollen und was dies konkret für Deutschlan­d bedeutet.“Leitartike­l Seite A2 Stimme des Westens Seite A2

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