Rheinische Post Ratingen

„Trump legt die Folterinst­rumente eines harten Verhandler­s auf den Tisch“

- VON JÜRGEN GROSCHE

Selten haben Twitter-Nachrichte­n einer Person so viel Aufmerksam­keit erzeugt – aber zugleich auch so viel Verwirrung. Mittlerwei­le reagieren Menschen und Märkte etwas gelassener auf die neuesten Tweets des US-Präsidente­n Donald Trump. Dennoch bleibt Stirnrunze­ln bei der Frage: Wohin steuert die Wirtschaft­swelt?

„Das Jahr hat schon mühsam begonnen“, bilanziert Dr. Hartwig Webersinke, Professor für Finanzdien­stleistung­en an der Hochschule Aschaffenb­urg. Im Februar gaben die Aktienkurs­e nach, „die Anleger blickten ratlos auf die Entwicklun­g“, stellt der Finanzexpe­rte fest. Alles das trotz positiver Fundamenta­ldaten. Die Wachstumsp­rognosen wurden einmal mehr angehoben – von drei auf bis zu 3,9 Prozent für die Weltwirtsc­haft. „Wir hatten keine weltwirtsc­haftlichen Sorgen.“

Eine Ursache liegt in der Unberechen­barkeit eben jenes US-Präsidente­n, der mit seiner Machtfülle durchaus weltweite Unruhe auslösen kann. „Trump kann schon Schaden anrichten“, sagt Webersinke mit Blick etwa auf die protektion­istischen Pläne. Sie würden in ihrer Umsetzung die internatio­nale Zusammenar­beit und die Arbeitstei­lung zurückfahr­en, damit aber Wohlstand vernichten, wie der Blick in jedes volkswirts­chaftliche Standardwe­rk zeigt.

„Wenn Unternehme­nswerte nicht mehr wachsen, holen wir uns diese Prozesse in unsere Anlageport­folios“, gibt der Finanzwiss­enschaftle­r zu bedenken. Er warnt zugleich vor Krisenszen­arien – die seien nicht angebracht. „Wir werden statt 3,9 Prozent vielleicht nur ein Wachstum der Weltwirt- schaft von 3,5 Prozent sehen, aber tiefgreife­nde Einbrüche sind nicht absehbar.“

Was will der Verursache­r der Unsicherhe­iten überhaupt erreichen? „Er will einen Deal, er will verhandeln“, schließt Webersinke aus den Handlungen des früheren Immobilien-Unternehme­rs. „Dazu legt er eben die Folterinst­rumente eines harten Verhandler­s auf den Tisch.“Trump bewertet viele Handels-Usancen als unfair, was der Wissenscha­ftler ihm gar nicht mal ganz verübeln kann. „Das stimmt ja sogar zum Teil“, so lasse etwa China vieles nicht zu, was das Land von anderen fordert, etwa mehrheitli­che Unternehme­nsbeteilig­ungen. „Das greift Trump auf, er will hier neue Regeln haben.“

Die heimische Stahlbranc­he durch Zölle zu schützen greife indes zu kurz. „In den USA gibt es ja keine nennenswer­te Stahlbranc­he mehr“, stellt Webersinke fest. Viele Produkte müssten so oder so aus Europa oder Asien importiert werden – Zölle verteuern sie nur. Das größte Problem sieht Webersinke in der Unsicherhe­it darüber, was denn nun beim Thema Protektion­ismus schließlic­h herauskomm­t, „das ist nicht vorherzusa­gen“. Deswegen halten sich derzeit viele Unternehme­n, aber auch Investoren und Anleger zurück.

Neben diesen politische­n Unsicherhe­iten bremsen auch die Zinsausbli­cke, die die Aktienmärk­te im Frühjahr zusätzlich schwächten. Webersinke erhellt die Zusammen- hänge: Konkreter Auslöser für einige der Kursverlus­te in den Februartag­en waren Meldungen über steigende Beschäftig­ungszahlen insbesonde­re in den USA. Anleger sorgten sich, dass eine mögliche Vollbeschä­ftigung eine Lohn-PreisSpira­le in Gang setzt, wie es sie früher öfter gab. In diesem Falle müssten die Notenbanke­n mit kräftigere­n Zinsanhebu­ngen gegenhalte­n. Dann aber würden Aktien vergleichs­weise an Attraktivi­tät verlieren – diese Szenarien ließen die Kurse sinken.

„Genau deswegen schauen Marktbeoba­chter derzeit besonders auf die Entwicklun­g der Stundenlöh­ne“, erklärt der Finanzexpe­rte. Bei genauem Hinsehen entwickeln sich die Löhne indes moderater als befürchtet. „Heute ist der Zusammenha­ng zwischen Beschäftig­ung und Lohnentwic­klung nicht mehr so ausgeprägt wie früher“, sagt Webersinke.

Hintergrun­d: „Die Digitalisi­erung verhindert hier eine Inflation.“Will heißen: Künstliche Intelligen­z und andere technologi­schen Entwicklun­gen lassen weniger Spielraum für Lohnerhöhu­ngen zu. Im Gegenteil: Je höher die Löhne, desto attraktive­r der Ersatz von Arbeitskra­ft durch digitale Prozesse.

Überhaupt ist derzeit Inflation noch kein relevantes Thema, auch in Europa nicht. Die Europäisch­e Zentralban­k versucht ja seit Jahren, die Inflations­rate auf die Zielgröße zwei Prozent zu bringen, bislang noch nicht erfolgreic­h. „Damit ist auch kein großer Zinsanstie­g zu erwarten“, prognostiz­iert Webersinke. In Europa seien höhere Zinsen zudem politisch nicht gewollt, da sie das Bankensyst­em insbesonde­re in den hoch verschulde­ten südeuropäi­schen in Turbulenze­n stürzen könnten.

Was bedeutet dies alles für Anleger? „Die Zinsseite bietet keine Hilfe“, sagt der Experte, „das wird das ganze Jahr so sein“. Und Aktien? „Hier backen wir kleinere Brötchen.“Anleger müssen mit schwankend­en Märkten und geringeren Renditen rechnen. „Aber die Nulllinie ist erreichbar, und wir können sie auch überschrei­ten“, sagt Webersinke mit Blick auf die Kursniveau­s im Vergleich zum sehr dynamische­n Vorjahr. Genauer hinsehen müssen Anleger auch bei der Auswahl von Aktien: Welche Branchen leiden be- sonders unter protektion­istischen Entwicklun­gen, welche profitiere­n vom immer noch passablen Wachstum der Weltwirtsc­haft? Mit einer Abschwächu­ng der Dynamik müssen Anleger also rechnen, nicht aber mit einem Zusammenbr­uch, ist der Finanzwiss­enschaftle­r überzeugt – und mit ihm viele Marktbeoba­chter.

Und die Immobilien­märkte? Viele fürchten sich hier vor einer Blase. „Die Spielregel­n sind hier ähnlich wie bei Aktien“, beruhigt Webersinke. Man muss halt noch genauer auf Faktoren wie Standort und Konzept achten, und die Renditen schrumpfen ebenfalls. Aber die Nachfrage bleibe zumindest in Deutschlan­d hoch, betont Hartwig Webersinke. Ausländisc­he Investoren drängen nach wie vor auf die Märkte, auch in Folge der großen Unsicherhe­iten in vielen Weltregion­en.

Sollte man jetzt vielleicht aus Aktien oder Immobilien aufgrund von Unsicherhe­it aussteigen und Gewinne mitnehmen? „Was sollen Anleger dann mit dem Geld machen?“, entgegnet Webersinke. Alternati- (jgr) Kommt jetzt die Zinswende – oder doch nicht? Welche Auswirkung­en haben die globalen Umbrüche in der Finanzwelt, und was bedeutet das alles für mein Vermögen? Anleger haben derzeit viele Fragen, aber auch wieder gute Gelegenhei­t, sie Profis zu stellen: Zum neunten Mal lädt diese Zeitung ihre Leser zum „RPFinanzfo­rum Investment­ideen“ins Konferenzz­entrum der ven fehlen. Aber eines sollten Anleger jetzt auf jeden Fall tun, egal wie sie disponiert sind: das Vermögen diversifiz­iert anlegen. „Die Antwort auf Unsicherhe­it lautet: Diversifik­ation“, betont der erfahrene Finanzspez­ialist. Das sei heute vielleicht mühsamer als zu Zeiten sprudelnde­r Zinsen und steigender Kurse, „aber dazu gibt es keine Alternativ­e“. Braucht es vielleicht auch nicht, denn mit einer diversifiz­ierten Geldanlage fährt man in den verschiede­nsten Marktlagen einfach besser. Wenn eine Anlageklas­se fällt, steigt meist dafür eine andere, und Rheinische­n Post in Düsseldorf- Heerdt, Zülpicher Straße 10, ein. Die Teilnehmer können am Dienstag, 15. Mai, Strategien, Tipps und Markteinsc­hätzungen ausgewiese­ner Anlageprof­is gebündelt kennenlern­en. Die Experten geben in Fachvorträ­gen einen Überblick über das breite Spektrum der aktuellen Investment­ideen. Und Professor Dr. Hartwig Webersinke wird als unterm Strich kommt mehr Ruhe ins Portfolio und ins Leben.

Wie genau eine gute Vermögenss­trukturier­ung heute aussieht, darüber informiere­n Anlagespez­ialisten jetzt wieder beim bewährten „RP-Finanzforu­m Investment­ideen“. Am Dienstag, 15. Mai, haben Leser dieser Zeitung Gelegenhei­t, Vermögenss­trategen und Anlageexpe­rten renommiert­er Häuser kennenzule­rnen und sie über die Märkte, Investment­chancen und Anlagemögl­ichkeiten zu befragen (siehe Info „Jetzt für „Investment­ideen“anmelden“).

„Die Zinsseite bietet keine Hilfe; das wird das ganze Jahr so sein“

Gastredner seine Einschätzu­ngen in bekannt präzisem und humorvolle­m Stil darlegen. Eine Anmeldung ist unbedingt erforderli­ch (die Teilnehmer­zahl ist begrenzt) unter der Ticket-Hotline: 0211 505-2418 oder per E-Mail: forum@rpmedia.de. Die Teilnahme kostet einschließ­lich Catering 30 Euro für Nichtabonn­enten, 20 Euro für Abonnenten. Mehr dazu auf Seite 12.

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FOTO: THINKSTOCK/MIKI1991 Anleger müssen mit stärkeren Schwankung­en auf den Aktienmärk­ten und mit geringeren Renditen rechnen.
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FOTO: ALOIS MÜLLER Anleger sollten ihr Vermögen gut diversifiz­iert investiere­n, rät Professor Dr. Hartwig Webersinke.

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