„Trump legt die Folterinstrumente eines harten Verhandlers auf den Tisch“
Selten haben Twitter-Nachrichten einer Person so viel Aufmerksamkeit erzeugt – aber zugleich auch so viel Verwirrung. Mittlerweile reagieren Menschen und Märkte etwas gelassener auf die neuesten Tweets des US-Präsidenten Donald Trump. Dennoch bleibt Stirnrunzeln bei der Frage: Wohin steuert die Wirtschaftswelt?
„Das Jahr hat schon mühsam begonnen“, bilanziert Dr. Hartwig Webersinke, Professor für Finanzdienstleistungen an der Hochschule Aschaffenburg. Im Februar gaben die Aktienkurse nach, „die Anleger blickten ratlos auf die Entwicklung“, stellt der Finanzexperte fest. Alles das trotz positiver Fundamentaldaten. Die Wachstumsprognosen wurden einmal mehr angehoben – von drei auf bis zu 3,9 Prozent für die Weltwirtschaft. „Wir hatten keine weltwirtschaftlichen Sorgen.“
Eine Ursache liegt in der Unberechenbarkeit eben jenes US-Präsidenten, der mit seiner Machtfülle durchaus weltweite Unruhe auslösen kann. „Trump kann schon Schaden anrichten“, sagt Webersinke mit Blick etwa auf die protektionistischen Pläne. Sie würden in ihrer Umsetzung die internationale Zusammenarbeit und die Arbeitsteilung zurückfahren, damit aber Wohlstand vernichten, wie der Blick in jedes volkswirtschaftliche Standardwerk zeigt.
„Wenn Unternehmenswerte nicht mehr wachsen, holen wir uns diese Prozesse in unsere Anlageportfolios“, gibt der Finanzwissenschaftler zu bedenken. Er warnt zugleich vor Krisenszenarien – die seien nicht angebracht. „Wir werden statt 3,9 Prozent vielleicht nur ein Wachstum der Weltwirt- schaft von 3,5 Prozent sehen, aber tiefgreifende Einbrüche sind nicht absehbar.“
Was will der Verursacher der Unsicherheiten überhaupt erreichen? „Er will einen Deal, er will verhandeln“, schließt Webersinke aus den Handlungen des früheren Immobilien-Unternehmers. „Dazu legt er eben die Folterinstrumente eines harten Verhandlers auf den Tisch.“Trump bewertet viele Handels-Usancen als unfair, was der Wissenschaftler ihm gar nicht mal ganz verübeln kann. „Das stimmt ja sogar zum Teil“, so lasse etwa China vieles nicht zu, was das Land von anderen fordert, etwa mehrheitliche Unternehmensbeteiligungen. „Das greift Trump auf, er will hier neue Regeln haben.“
Die heimische Stahlbranche durch Zölle zu schützen greife indes zu kurz. „In den USA gibt es ja keine nennenswerte Stahlbranche mehr“, stellt Webersinke fest. Viele Produkte müssten so oder so aus Europa oder Asien importiert werden – Zölle verteuern sie nur. Das größte Problem sieht Webersinke in der Unsicherheit darüber, was denn nun beim Thema Protektionismus schließlich herauskommt, „das ist nicht vorherzusagen“. Deswegen halten sich derzeit viele Unternehmen, aber auch Investoren und Anleger zurück.
Neben diesen politischen Unsicherheiten bremsen auch die Zinsausblicke, die die Aktienmärkte im Frühjahr zusätzlich schwächten. Webersinke erhellt die Zusammen- hänge: Konkreter Auslöser für einige der Kursverluste in den Februartagen waren Meldungen über steigende Beschäftigungszahlen insbesondere in den USA. Anleger sorgten sich, dass eine mögliche Vollbeschäftigung eine Lohn-PreisSpirale in Gang setzt, wie es sie früher öfter gab. In diesem Falle müssten die Notenbanken mit kräftigeren Zinsanhebungen gegenhalten. Dann aber würden Aktien vergleichsweise an Attraktivität verlieren – diese Szenarien ließen die Kurse sinken.
„Genau deswegen schauen Marktbeobachter derzeit besonders auf die Entwicklung der Stundenlöhne“, erklärt der Finanzexperte. Bei genauem Hinsehen entwickeln sich die Löhne indes moderater als befürchtet. „Heute ist der Zusammenhang zwischen Beschäftigung und Lohnentwicklung nicht mehr so ausgeprägt wie früher“, sagt Webersinke.
Hintergrund: „Die Digitalisierung verhindert hier eine Inflation.“Will heißen: Künstliche Intelligenz und andere technologischen Entwicklungen lassen weniger Spielraum für Lohnerhöhungen zu. Im Gegenteil: Je höher die Löhne, desto attraktiver der Ersatz von Arbeitskraft durch digitale Prozesse.
Überhaupt ist derzeit Inflation noch kein relevantes Thema, auch in Europa nicht. Die Europäische Zentralbank versucht ja seit Jahren, die Inflationsrate auf die Zielgröße zwei Prozent zu bringen, bislang noch nicht erfolgreich. „Damit ist auch kein großer Zinsanstieg zu erwarten“, prognostiziert Webersinke. In Europa seien höhere Zinsen zudem politisch nicht gewollt, da sie das Bankensystem insbesondere in den hoch verschuldeten südeuropäischen in Turbulenzen stürzen könnten.
Was bedeutet dies alles für Anleger? „Die Zinsseite bietet keine Hilfe“, sagt der Experte, „das wird das ganze Jahr so sein“. Und Aktien? „Hier backen wir kleinere Brötchen.“Anleger müssen mit schwankenden Märkten und geringeren Renditen rechnen. „Aber die Nulllinie ist erreichbar, und wir können sie auch überschreiten“, sagt Webersinke mit Blick auf die Kursniveaus im Vergleich zum sehr dynamischen Vorjahr. Genauer hinsehen müssen Anleger auch bei der Auswahl von Aktien: Welche Branchen leiden be- sonders unter protektionistischen Entwicklungen, welche profitieren vom immer noch passablen Wachstum der Weltwirtschaft? Mit einer Abschwächung der Dynamik müssen Anleger also rechnen, nicht aber mit einem Zusammenbruch, ist der Finanzwissenschaftler überzeugt – und mit ihm viele Marktbeobachter.
Und die Immobilienmärkte? Viele fürchten sich hier vor einer Blase. „Die Spielregeln sind hier ähnlich wie bei Aktien“, beruhigt Webersinke. Man muss halt noch genauer auf Faktoren wie Standort und Konzept achten, und die Renditen schrumpfen ebenfalls. Aber die Nachfrage bleibe zumindest in Deutschland hoch, betont Hartwig Webersinke. Ausländische Investoren drängen nach wie vor auf die Märkte, auch in Folge der großen Unsicherheiten in vielen Weltregionen.
Sollte man jetzt vielleicht aus Aktien oder Immobilien aufgrund von Unsicherheit aussteigen und Gewinne mitnehmen? „Was sollen Anleger dann mit dem Geld machen?“, entgegnet Webersinke. Alternati- (jgr) Kommt jetzt die Zinswende – oder doch nicht? Welche Auswirkungen haben die globalen Umbrüche in der Finanzwelt, und was bedeutet das alles für mein Vermögen? Anleger haben derzeit viele Fragen, aber auch wieder gute Gelegenheit, sie Profis zu stellen: Zum neunten Mal lädt diese Zeitung ihre Leser zum „RPFinanzforum Investmentideen“ins Konferenzzentrum der ven fehlen. Aber eines sollten Anleger jetzt auf jeden Fall tun, egal wie sie disponiert sind: das Vermögen diversifiziert anlegen. „Die Antwort auf Unsicherheit lautet: Diversifikation“, betont der erfahrene Finanzspezialist. Das sei heute vielleicht mühsamer als zu Zeiten sprudelnder Zinsen und steigender Kurse, „aber dazu gibt es keine Alternative“. Braucht es vielleicht auch nicht, denn mit einer diversifizierten Geldanlage fährt man in den verschiedensten Marktlagen einfach besser. Wenn eine Anlageklasse fällt, steigt meist dafür eine andere, und Rheinischen Post in Düsseldorf- Heerdt, Zülpicher Straße 10, ein. Die Teilnehmer können am Dienstag, 15. Mai, Strategien, Tipps und Markteinschätzungen ausgewiesener Anlageprofis gebündelt kennenlernen. Die Experten geben in Fachvorträgen einen Überblick über das breite Spektrum der aktuellen Investmentideen. Und Professor Dr. Hartwig Webersinke wird als unterm Strich kommt mehr Ruhe ins Portfolio und ins Leben.
Wie genau eine gute Vermögensstrukturierung heute aussieht, darüber informieren Anlagespezialisten jetzt wieder beim bewährten „RP-Finanzforum Investmentideen“. Am Dienstag, 15. Mai, haben Leser dieser Zeitung Gelegenheit, Vermögensstrategen und Anlageexperten renommierter Häuser kennenzulernen und sie über die Märkte, Investmentchancen und Anlagemöglichkeiten zu befragen (siehe Info „Jetzt für „Investmentideen“anmelden“).
„Die Zinsseite bietet keine Hilfe; das wird das ganze Jahr so sein“
Gastredner seine Einschätzungen in bekannt präzisem und humorvollem Stil darlegen. Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich (die Teilnehmerzahl ist begrenzt) unter der Ticket-Hotline: 0211 505-2418 oder per E-Mail: forum@rpmedia.de. Die Teilnahme kostet einschließlich Catering 30 Euro für Nichtabonnenten, 20 Euro für Abonnenten. Mehr dazu auf Seite 12.