„Mich hat der Kampf eins gegen eins fasziniert“
Der Schauspieler und Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen, geboren 1975, gehört zu den prägenden Figuren der Düsseldorfer Theaterszene. Er ist Mitgründer und Leiter des Asphalt-Festivals und leitet die Bürgerbühne am Schauspielhaus. Mit RP-Redakteur Arne Lieb sprach er über sein anderes Talent.
Herr Seeger-Zurmühlen, wir haben gelesen, Sie hätten sich ihr Studium als Ringer finanziert. Stimmt das?
CHRISTOF SEEGER-ZURMÜHLEN Ja. Im Grunde ist meine Mutter schuld. Sie hat mich im Ringerverein angemeldet. Ich bin in Tennenbronn, einem Dorf im Schwarzwald aufgewachsen. Da gab es sonst nur Fußball.
Wie alt waren Sie?
SEEGER-ZURMÜHLEN Mit fünf Jahren stand ich das erste Mal auf der Matte. Kurz danach habe ich Silber bei den Bezirksmeisterschaften gewonnen. Die Trainer haben mir gesagt, ich hätte Talent. Da bin ich dabei geblieben. Wie das so ist: Wenn Leute dir sowas sagen, fördern sie dich.
Was hat Sie am Ringen fasziniert?
SEEGER-ZURMÜHLEN Ich glaube, das war von Anfang an die räumliche Dimension. Man fliegt durch die Luft, fällt – und sieht die Welt ständig aus anderer Perspektive. Und es war natürlich auch der Kampf eins gegen eins, darum, wer der Stärkere ist.
Sie blieben als Jugendlicher dabei.
SEEGER-ZURMÜHLEN Ja. Ich habe zeitweise fünf bis sechs Mal die Woche trainiert. Ich habe an vielen deutschen Meisterschaften teilgenommen, mein größter Erfolg war ein zweiter Platz. Und mir wurde damals sogar signalisiert, dass ich Chancen auf Olympia habe.
Woran ist das gescheitert?
SEEGER-ZURMÜHLEN Am Ende war ich einen Tick zu faul. Außerdem kam das Theater dazu, nachdem ich bei einem Kurs in der 10. Klasse daran Interesse gefunden habe. Die viele Zeit in der Sporthalle ging mir auf die Nerven. Ich wollte nie Profi werden. Ich muss auch sagen, dass der Druck ungesund war.
Wie zeigte sich das?
SEEGER-ZURMÜHLEN Wir sollten eine Gewichtsklasse tiefer antreten – das ist üblich im Kampfsport, weil man stärker ist. Bei mir hieß das, dass ich nur 57 Kilo wiegen dürfte, obwohl ich eigentlich in die höhere Klasse bis 63 Kilo gehörte. In den Tagen vor dem Kampf haben wir uns runtergehungert, teilweise acht Kilo in acht Tagen. Wir sind Fahrrad auf dem Hometrainer in der Sauna gefahren, um Flüssigkeit zu verlieren.
Das klingt ungesund.
SEEGER-ZURMÜHLEN Ja. Am Ende klappt das nur durch Flüssigkeitsverlust. Ich hatte ernsthaft Fata Morganas und musste mich zwingen, nicht Pfützen auszutrinken. Furchtbar. Man muss aber andererseits sagen, dass einen das wahnsinnig fokussiert macht. Im Kampf habe ich mir gesagt: Du hast nicht so viel abgenommen, um zu verlieren.
Womit haben Sie denn das Geld verdient?
SEEGER-ZURMÜHLEN Ich habe vor dem Schauspiel für fünf Jahre Sport auf Lehramt in Freiburg studiert. Zu der Zeit hat mich ein anderer Verein weggekauft: Haslach im Kinzigtal. Die haben mir ein paar Tausend Euro pro Jahr geboten. Das war damals ein Skandal im Dorf. Aber sportlich war das gut, wir sind sogar in die erste Liga aufgestiegen.
Ringen Sie noch?
SEEGER-ZURMÜHLEN Nur zum Spaß mit meinem Sohn. Aber man bleibt Ringer. Das ist eine Art, durch das Leben zu gehen. Es hat auch meine Theaterarbeit stark beeinflusst.
Inwiefern?
SEEGER-ZURMÜHLEN Man lernt, mit dem Körper zu spielen. Ich drücke mich oft sehr körperlich aus. Wenn es um eine Figur mit Existenzangst geht, lasse ich mich vielleicht irgendwo herunterfallen. Oder ich kämpfe mit dem Bühnenbild.
Für Ihr nächstes Theaterprojekt suchen Sie noch Mitspieler.
SEEGER-ZURMÜHLEN Wir greifen die aktuellen Debatten um Geschlechterrollen auf, die unter den Stichworten Metoo und Aufschrei geführt werden. Das Projekt heißt „Eva und Adam“und dreht sich um Macht, Rollenbilder und Klischees.
Bei der Bürgerbühne kann jeder mitspielen.
SEEGER-ZURMÜHLEN Ja. Uns geht es um die Standpunkte der Menschen. Aus ihren Positionen entwickelt sich das Stück. Es haben sich schon viele Frauen gemeldet. Wir suchen jetzt vor allem noch Männer, gern auch mit kontroversen Ansichten. INFO Heute gibt es ab 11 Uhr ein Informationstreffen zum Projekt „Eva und Adam“im Bürgerbühnenzentrum, Ronsdorfer Straße 74.