Versonnene Welten in Wuppertal
Das Von-der-Heydt-Museum erinnert mit 200 Bildern an den polnisch-jüdischen Maler Jankel Adler. Mehr als 20 Jahre lebte der Künstler im Rheinland. Dann floh er vor den Nationalsozialisten.
WUPPERTAL Das Beste hängt in der Mitte. Im zentralen Saal des Rundgangs, der durch das Lebenswerk des 1895 in Polen geborenen, 1949 nahe London gestorbenen Malers Jankel Adler führt, sind diejenigen Bilder versammelt, mit denen er sich einen Platz in der Kunstgeschichte erworben hat. Aus zwei Gründen: Erstens sind es wunderbar stille, zugleich raue Menschenbildnisse, die ein wenig an später entstandene Werke von Léger erinnern, durchweg ernste Gesichter, die zuweilen mit Sand, Gips und Leimfarbe gemalt sind. Zweitens sind diese Bilder kostbare Zeugnisse einer untergegangenen Welt: der Welt des Ostjudentums.
Symbole des jüdischen Glaubens finden sich darin ebenso wie in den Bildern von Adlers Freund Marc Chagall, doch fehlt ihnen das surrealistisch Schwebende, auch der Hang zur Süße. In „Sabbat“liegt ein Mann lesend auf dem Sofa, seine Frau sitzt neben ihm an einem karg gedeckten Tisch. Abseits des weißen Tischtuchs beherrschen gedeckte Farben die Szenerie.
Auf einem Gemälde nebenan blicken schwarz-weiß konturierte Gestalten den Betrachter des Bildes an: „Die Purimspieler“, verkleidete Kinder, die an einem hohen jüdischen Fest an die Rettung der Juden im Altpersischen Reich erinnern. Die „Purimspieler“und die diagonal in einem Hochformat angeordneten „Drei Frauen“prägen sich dem Gedächtnis so intensiv ein, dass manch Älterer unwillkürlich daran zurückdenken wird, wie er diese Motive erstmals 1985 in einer Jankel-Adler-Ausstellung der Düsseldorfer Kunsthalle erblickte.
All diese Werke aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre lassen sich zum Kern von Adlers Lebenswerk zählen, ebenso wie die in den angrenzenden Räumen hängenden Gemälde „Der Artist“, ein muskulöses Selbstporträt mit bloßem Oberkörper, und die großformatigen „Katzen“inmitten einer Reihe kleinerer Katzenbilder. Im Großformat springt ein Kater kraftvoll auf ein Weibchen. Das ist kein früher Beitrag zur MeToo-Debatte, keine Anspielung auf Macho-Gehabe, sondern Ausdruck des freien, ungebun- denen Katzenlebens. „Artist“und „Geiger“sind aus demselben Geist gemalt. Jankel Adler war ein menschenfreundlicher Anarchist.
Von 1912 bis 1933, bis zu seiner Flucht vor dem Nationalsozialismus, lebte er im Rheinland; zunächst in Barmen, dann in Düsseldorf als Mitglied der Künstlergruppe „Das Junge Rheinland“. Am Rhein lernte er auch die Malerin Betty Kohlhaas kennen, seine künftige Lebensgefährtin, die ihm Tochter Nina gebar. Vom Rhein- land aus brach Jankel Adler immer wieder auf: nach Paris, Berlin und schließlich, 1935, zurück in seine Heimat Polen. Zwei Jahre später fuhr er wieder nach Frankreich, 1943 wechselte er nach London, wo er mit Entsetzen die Nachrichten von Judenverfolgung und -ermordung hörte. Erst nach dem Ende des Krieges erfuhr er, dass keines seiner neun Geschwister den Holocaust überlebt hatte. 1949 starb er mit 53 Jahren an den Folgen einer Herzattacke.
In bewährter Weise bettet das Von-der-Heydt-Museum Adlers Werk in das seiner Zeitgenossen und Freunde ein. Davon gab es viele: Marc Chagall und Otto Dix, Paul Klee und Picasso, Else Lasker-Schüler und gegen Ende seines Lebens noch Francis Bacon – fast die Hälfte der 200 Werke in der Ausstellung stammt von diesen und anderen Künstlern aus dem Freundeskreis. Vom „expressionistischen Impuls“geht es zu den „WupperKünstlern“an der Barmer Kunstge-