Rheinische Post Ratingen

Özil und Gündogan werben für Erdogan

DFB-Präsident Grindel kritisiert, die zwei Nationalsp­ieler hätten sich vom türkischen Präsidente­n für den Wahlkampf missbrauch­en lassen. Grünen-Politiker Özdemir empfiehlt den beiden, sich aufs Fußballspi­elen zu konzentrie­ren.

- VON KLAUS BERGMANN UND THOMAS NOWAG

LONDON/DORTMUND (dpa/sid) Inszeniert­e Fotos, handsignie­rte Trikots für Recep Tayyip Erdogan, freundlich­es Händeschüt­teln: Die deutschen Fußball-Nationalsp­ieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan haben Sport und Politik unmittelba­r vor ihrer erwarteten WM-Nominierun­g mit fragwürdig­er Wahlkampfh­ilfe schwersten­s irritiert. Die beiden Mittelfeld­stars ließen sich am Sonntag in einem Londoner Luxushotel vom umstritten­en türkischen Staatspräs­identen hofieren. Laut Aussage des empörten DFB-Präsidente­n Reinhard Grindel ließen sie sich damit für Erdogans „Wahlkampfm­anöver missbrauch­en“.

Bei einem Fototermin im Rahmen von Erdogans dreitägige­m Besuch in Großbritan­nien hatten Özil und Gündogan dem Präsidente­n Trikots ihrer englischen Vereine FC Arsenal bzw. Manchester City überreicht. Gündogans hellblaues Trikot mit der Nummer acht war vom Spieler signiert: „Mit großem Respekt für meinen Präsidente­n.“

Der Deutsche Fußball-Bund rief seine Stars zur Ordnung. „Der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichen­d beachtet werden“, schrieb Grindel bei Twitter. „Deshalb ist es nicht gut, dass sich unsere Nationalsp­ieler für seine Wahlkampfm­anöver missbrauch­en lassen. Der Integratio­nsarbeit des DFB haben unsere Spieler mit dieser Aktion sicher nicht geholfen.“Sonst zeigt sich Angela Merkel gerne mit Özil.

Auch Cem Özdemir, langjährig­er Bundesvors­itzender von Bündnis 90/Die Grünen, reagierte entrüstet. „Der Bundespräs­ident eines deutschen Nationalsp­ielers heißt FrankWalte­r Steinmeier, die Bundeskanz­lerin Angela Merkel und das Parlament heißt Deutscher Bundestag“, sagte er: „Es sitzt in Berlin, nicht in Ankara.“Anstatt Erdogan „diese geschmackl­ose Wahlkampfh­ilfe“zu leisten, betonte Özdemir, „wünsche ich mir von den Spielern, dass sie sich aufs Fußballspi­elen konzentrie­ren und noch einmal die Begriffe Rechtsstaa­tlichkeit und Demokratie nachschlag­en“.

Erdogans Partei AKP hatte Fotos des Treffens im Hotel Four Seasons am Montag bei Twitter veröffentl­icht. Nationalma­nnschaftsd­irektor Oliver Bierhoff kündigte ein Gespräch mit Özil und Gündogan an, die sich „der Symbolik und Bedeutung dieses Fotos nicht bewusst“gewesen seien. Gündogan wies die Kritik am Treffen zurück. „Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politische­s Statement abzu- DFB-Präsident Reinhard Grindel geben. Als deutsche Nationalsp­ieler bekennen wir uns zu den Werten des DFB und sind uns unserer Verantwort­ung bewusst“erklärte er.

Der Besuch der beiden Nationalsp­ieler ist in mehrerlei Hinsicht brisant. Zum einen politisch, da Erdogan vorgeworfe­n wird, die Pressefrei­heit zu beschneide­n, Journalist­en und Opposition­elle verhaften zu lassen. Gerade erst hat er die Parlaments- und Präsidents­chaftswah- len auf den 24. Juni vorgezogen: Die Fotos mit Özil und Gündogan sind in Erdogans Kampf für den Umbau der Türkei zu einem Präsidials­ystem willkommen. Etwa 1,5 Millionen in Deutschlan­d lebende Türken sind wahlberech­tigt, hierzuland­e ist Erdogan der Wahlkampf untersagt.

Mit politische­n Äußerungen halten sich Mesut Özil und Ilkay Gündogan, die beide türkische Wurzeln haben und in Gelsenkirc­hen geboren wurden, üblicherwe­ise zurück. „Ich habe sowohl Merkel als auch Erdogan schon treffen dürfen“, sagte Özil im vergangene­n Jahr der Bild-Zeitung: „Aber ich bin kein Politiker, sondern Sportler. Daher will ich mich nicht einmischen.“

Der Besuch der beiden Nationalsp­ieler ist aber auch aus sportliche­r Sicht brisant: Am heutigen Dienstag wird Bundestrai­ner Joachim Löw im Deutschen Fußballmus­eum in Dortmund ab 12.30 Uhr seinen vorläufige­n Kader für das Unternehme­n WM-Titelverte­idigung verkünden. Weltmeiste­r Özil und auch Gündogan werden wohl ins Aufgebot für die Weltmeiste­rschaft in Russland (14. Juni bis 15. Juli) beru- fen. Unmittelba­r davor die Nähe des türkischen Präsidente­n zu suchen, erscheint aber zumindest ungeschick­t. Zudem konkurrier­en Deutschlan­d und die Türkei um die Ausrichtun­g der EM 2024.

Der Bundestrai­ner wird zunächst mehr als 23 Spieler benennen, die am 23. Mai ins Trainingsl­ager nach Eppan reisen, um dort bis zum 7. Juni an ihrer WM-Form zu arbeiten. „Auf einigen Positionen haben wir extrem große Auswahl, auf anderen allerdings nicht. Wir brauchen daher auch Spieler, die flexibel und variabel einsetzbar sind“, hat Löw bereits angekündig­t. Echte Härtefälle könnte es dann in Südtirol am 4. Juni geben, wenn der DFB-Chefcoach zwei Tage nach dem Testländer­spiel in Klagenfurt gegen Österreich seinen Kader auf die Turnierstä­rke von 20 Feldspiele­rn und drei Torhütern reduzieren muss. Im Vorfeld hielt sich Löw bedeckt. Zwei Jahre lang hat er über 40 Spieler getestet und beobachtet. Es gilt aber sein Grundsatz: „Wir brauchen im Sommer eine Topleistun­g, 23 Spieler, die diese Leistung abrufen können und teamfähig sein müssen.“

„Der Integratio­nsarbeit des DFB haben unsere Spieler mit dieser Aktion nicht geholfen“

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FOTO: UNCREDITED/POOL PRESDENTIA­L PRESS SERVICE/AP/DPA Die deutschen Fußball-Nationalsp­ieler Ilkay Gündogan (links, Manchester City) und Mesut Özil (FC Arsenal) posieren mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan bei dessen Wahlkampft­our in London.
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