Contes Schreckenskabinett
Der künftige italienische Ministerpräsident stellt seine neue Regierung zusammen. Die Aussicht auf einen Euro-Kritiker ausgerechnet im Finanzministerium löst vor allem bei der Europäischen Union Unmut aus.
ROM Die Auswahl des künftigen Ministerpräsidenten war eine schwere Geburt. Seit Mittwochabend, 80 Tage nach der Parlamentswahl in Italien, steht die Nominierung des politisch völlig unerfahrenen Rechtswissenschaftlers Giuseppe Conte als Ministerpräsident fest. Nun gibt es in Rom einen Machtkampf um die Besetzung des nächsten Schlüsselpostens. Ein Wirtschafts- und Finanzminister für das Kabinett Conte muss gefunden werden. Die beiden populistischen Regierungsparteien Fünf-Sterne-Bewegung und Lega haben sich dabei bereits auf einen umstrittenen Kandidaten geeinigt: den 81-jährigen Euro-Skeptiker Paolo Savona. Staatspräsident Sergio Mattarella hat das letzte Wort über die Kabinettsliste. Ob er einen Mann wie Savona akzeptiert, ist alles andere als gewiss.
„Savona ist die Figur, die Italien ins Zentrum der Debatte in Europa zurückbringen kann“, sagte LegaChef Matteo Salvini in einem Video auf Facebook. Er sei sich sicher, dass Italien „wieder das werde, was es einmal war“. Diese Töne ergänzen sich mit den Vorstellungen Savonas, der Anfang der 90er Jahre Industrieund Handelsminister unter Ministerpräsident Carlo Azeglio Ciampi und Europa gegenüber noch milde eingestellt war. In einer dieser Tage in Italien erscheinenden Autobiografie bezeichnet Savona den Euro als „deutschen Käfig“und beschwert sich über die wirtschaftliche Hegemonie der Bundesrepublik als „Supermacht“in Europa. Eine Nominierung des Ökonomen als Hüter der italienischen Staatsfinanzen käme einer Provokation gleich.
Interviews des Wirtschaftswissenschaftlers aus jüngerer Zeit sind gespickt mit Polemik gegen die EU und ihre Institutionen. „Die Schwierigkeiten der EU sind ihrer Führungselite zuzuschreiben. Sie behaupten, sich fürs Volk zu interessieren. In Wahrheit kümmern sie sich nur um sich selbst“, behauptete der Ökonom. In einem anderen Interview schlägt Savona vor, einen „Plan B für den Ausstieg aus dem Euro“zu schmieden, „wenn wir keine andere Wahl hätten“. Andernfalls ende Italien wie Griechenland. Der Euro-Austritt Italiens ist ein Tabu-Thema, nicht nur für die meisten EU-Politiker, sondern auch für Staatschef Mattarella. Er legt auf die Vertragstreue Italiens in der EU und Garantien im Hinblick auf das 2300 Milliarden Euro hohe Staatsdefizit wert, das die drittgrößte EU-Volkswirtschaft anfällig für die Finanzspekulation macht.
Anklänge an einen Euro-Austritt Italiens fanden sich bereits in einem Entwurf des Koalitionsvertrags von Fünf-Sterne-Bewegung und Lega. In der aktuellen Fassung ist davon allerdings nicht mehr die Rede. Beide Parteien gelten als EU- und eurokritisch. Nun wird hinter den Kulissen verhandelt. Auf der einen Seite die Parteichefs Luigi Di Maio (Fünf- Sterne-Bewegung) und Salvini (Lega), auf der anderen Staatspräsident Mattarella. Dazwischen bewegt sich der designierte Ministerpräsident und Kompromisskandidat Conte, der nicht nur mit Ungenauigkeiten in seinem Lebenslauf aufmerken ließ. Laut italienischen Medien wurde Contes Eigentumswohnung gepfändet, weil er Steuern und Strafzettel nicht bezahlt hatte. Diese Schulden sollen inzwischen aber beglichen sein.