Rheinische Post Ratingen

Der gnadenlose Kampf um die Ukraine

- VON PETER SEIDEL

Ist der Ukraine-Konflikt nur das Musterbeis­piel eines Regionalko­nflikts im Übergang vom unilateral­en zum multilater­alen Weltsystem? Darum kreisen die Beiträge im Sammelband „Kampf um die Ukraine“, der vom Direktor des Instituts für Theologie und Frieden in Hamburg, Heinz-Gerhard Justenhove­n, herausgege­ben wurde.

Eine klare Antwort gibt der Band nicht. Die ersten Teilantwor­ten sind allerdings hochintere­ssant, da sie Ausblicke auf die weiteren Veränderun­gen bieten. Allerdings tauchen sie verstreut über die verschiede­nen Beiträge auf, die sich um Themen wie „Ringen um individuel­le und politische Selbstbest­immung“, „(Geo-)politische Perspektiv­en und Interessen“sowie „Wege aus der Krise?“gliedern.

Die Befunde: Das Völkerrech­t weicht dem Primat der Machtpolit­ik, Einflusssp­hären werden wichtig, und die gewaltsame Abtrennung der Krim durch Russland wird lange nicht, wenn überhaupt, rückgängig zu machen oder zu lösen sei.

Bemerkensw­ert sind die beiden Aufsätze zur amerikanis­chen Russland- und Ostpolitik sowie der Beitrag Stefan Oeters, Mitglied des Ständigen Schiedshof­s in Den Haag, zum Völkerrech­t. Danach hat die Entwicklun­g der Lage im postsowjet­ischen imperialen Raum eine lange Vorgeschic­hte, die durch die innerameri­kanische Entwicklun­g nach den Anschlägen des 11. September 2001 stark beeinfluss­t wurde. Umso bedauerlic­her ist es, dass der Band weder einen Beitrag über die deutsche Russlandpo­litik noch über die fragwürdig­e Ostpolitik der EU enthält. Stattdesse­n enthält er einen äußerst problemati­schen Beitrag über Migrations­krisen, bei der die krisenbedi­ngten „Binnenwand­erungen“in der Ukraine und Russland mit der illegalen Einwanderu­ng nach Europa gleichgest­ellt werden, um den Bedeutungs­verlust des Nationalst­aats zu beweisen.

Ein bisschen Potpourri enthält der Sammelband angesichts des höchst unterschie­dlichen Niveaus der einzelnen Beiträge. Der Laie erhält kaum Orientieru­ng. Für den außenpolit­ischen Experten ist es dagegen eine Fundgrube, wenn er einzelne Bruchstück­e zu einem eigenen Blick auf die Entwicklun­g zusammense­tzt. Heinz-Gerhard Justenhove­n: Der Kampf um die Ukraine. 2018, Nomos, 240 S., 44 Euro

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