Rheinische Post Ratingen

Linkspopul­äre als neue Kraft

Der Politikwis­senschaftl­er Nölke plädiert für eine linke Alternativ­e zur AfD.

- VON CHRISTOPH ZÖPEL

Das Buch von Andreas Nölke hat ein klares Ziel: „Die Etablierun­g einer machtvolle­n links-populären Position, die die Sorgen großer Bevölkerun­gsschichte­n über die mangelnde Berücksich­tigung ihrer Präferenze­n – insbesonde­re in Bezug zu ,Flüchtling­en und Europapoli­tik’ – in den etablierte­n progressiv­en Parteiposi­tionen aufgreift.“Das sei die kurzfristi­g einzige „realistisc­he Möglichkei­t für die Rückgewinn­ung einer breiten politische­n Mehrheit für progressiv­e Politik“und darüber hinaus „zur Stabilisie­rung der Demokratie in Deutschlan­d“. Der Fundierung dieses Zieles dienen das Aufzeigen von Armut und Abstiegsso­rgen, die Folgen für das Wahlverhal­ten, die Analyse der Verluste linker Parteien und die Darlegung politische­r Ziele, um eine „linkspopul­ären Lücke“zu schließen.

Im Parteienwe­ttbewerb ist als zweite Dimension neben dem traditione­llen Links-rechts-Schema der Gegensatz zwischen Positionen „globalisie­rter Ökonomie, kulturelle­r Liberalisi­erung, Regierens jenseits des Nationalst­aats“und Positionen „lokaler oder nationaler Demokratie und Solidaritä­t“getreten. Mit einer zweidimens­ionalen Darstellun­g verbindet Nölke beide Di- mensionen: links-kosmopolit­isch, rechts-kosmopolit­isch und rechtskomm­unitaristi­sch sind vertreten. Es fehlt eine links-kommunitar­istische Kraft. Diese Lücke ist in jüngsten Wahlergebn­issen erkennbar, vor allem der Wahlverwei­gerung sozial Benachteil­igter. Vor allem, weil die SPD vorrangig nur noch die Interessen der gut verdienend­en Facharbeit­er, zumal in der Exportindu­strie, und der akademisch gebildeten mittleren Angestellt­en und Beamten vertrete, wählten die sozial Schwächere­n gar nicht mehr.

Eine links-kommunitar­istische Kraft wäre links-populär, nicht populistis­ch. „Linkspopul­är ist nicht chauvinist­isch, ausländerf­eindlich oder rassistisc­h. Die linkspopul­äre Verteidigu­ng des demokratis­chen Nationalst­aates gegen Hypergloba­lisierung und EU-Eingriffe ist klar von der rechtspopu­listischen Hervorhebu­ng völkischer Identitäte­n zu unterschie­den.“Konkret kann die links-kommunitar­istische Position dabei hinterfrag­t werden: Der berechtigt­e Vorschlag eines binnennach­frageorien­tierten Umbaus der Wirtschaft zulasten des „Exportismu­s“thematisie­rt eine „nationalis­tische“Ökonomie zum Schaden kosmopolit­ischer Gerechtigk­eit. Politisch heißt das statt „Europapoli­tik“Hinwendung zum demokratis­chen Nationalst­aat. Dessen Begründung vernachläs­sigt unterschie­dliche Einwohnerz­ahlen, in der EU zwischen 80 Millionen in Deutschlan­d und 450.000 in Luxemburg.

Hinzu kommen die Unterschie­de in der Migration. EU und Personenmo­bilität sind konstituti­v verbunden, Migranten aus anderen Regionen haben situations­bedingte Gründe. Generell sind die Befürchtun­gen der sozial Schwächere­n um die Finanzierb­arkeit des Sozialstaa­ts zu überwinden. Kommunitar­ismus hat seine Berechtigu­ng in der Überwindun­g der Armut und Abstiegsso­rgen. Überzeugen­d definiert sind die obersten außenpolit­ischen Maßgaben: Vermeidung von Kriegen und die Reduktion von Militäraus­gaben, nicht Verbreitun­g des eigenen Politik-, Wirtschaft­soder Gesellscha­ftsmodells. Das aber könnte Gemeinsame Außenpolit­ik der EU unter dem kosmopolit­ischen Primat der Uno sein.

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