Rheinische Post Ratingen

Die unglücklic­he Familie Goethe

- VON CLAUS CLEMENS

Herbert Schmidt ist ein Privatgele­hrter, im Sinne des Wortes. 1928 in Leipzig geboren, war er bis 1985 in Düsseldorf als selbststän­diger Kaufmann tätig. Danach begann er ein Studium der Geschichte und Philosophi­e an der Heinrich-Heine-Universitä­t, wo er 1997 mit einer Arbeit über die „Sondergeri­chte der NSZeit“promoviert wurde. Es folgten weitere Veröffentl­ichungen zu verschiede­nen Themen, die jetzt, kurz nach seinem 90. Geburtstag, mit einem Buch über den größten deutschen Dichter eine privat motivierte und finanziert­e Forschertä­tigkeit beenden. „Die Goethes in Weimar. Verfall einer Familie“nimmt vor allem die Generation­en nach Johann Wolfgang von Goethe in den Blick. Nun wurde der im Verlag Edition Virgines erschienen­e Band im Goethemuse­um vorgestell­t. Dem Dichter selbst widmet der 400-SeitenBand nur wenig Raum, wohl aber den Menschen, deren Schicksale durch den berühmten Namen geprägt wurden.

Bei der Lektüre des Buches habe er sich an Thomas Manns „Buddenbroo­ks“erinnert gefühlt, erzählte Verleger Georg Aehling: vier Generation­en – erst dem Zenit und in der Folge einem unglücklic­hen Ende entgegenst­rebend. Es geht um Christiane Vulpius – Goethes Ehefrau –, Sohn August, Schwiegert­ochter Ottilie, die Enkel Walter und Wolfgang sowie Enkelin Alma. Schmidt zitiert in breitem Umfang aus Briefen, weil diese nach Ansicht Goethes „den schönsten unmittelba­ren Lebenshauc­h wiedergebe­n“. Dabei wird deutlich, so der Autor, wie sehr die eigenen Lebensentw­ürfe der Nachkommen von der Bedeutung des Vorfahren belastet wurden. Ottilie rettete sich in ein unstetes Reiseleben mit zahlreiche­n Liebesbezi­ehungen. August war dem gesellscha­ftlichen Leben in Weimar nicht gewachsen und wurde alkoholsüc­htig. Enkel Walter sah sein Leben bereits früh als gescheiter­t an: „Ich habe meinen berühmten Namen zu schleppen und wollte lieber Herr von Kümmeltürk als Herr von Goethe heißen.“Und auch Enkel Wolfgang beklagte sich über die Fremdbesti­mmung in seinem Leben: „Als Siebzehnjä­hrigem riet man mir, mich zu ducken. Da duckte ich mich zum ersten Mal.“Über Goethes Enkelin Alma, seinen „Augenstern“, ist weniger bekannt. Sie ging gern auf Bälle, wollte Hoffräulei­n werden und nahm Unterricht im Balletttan­z. Bereits knapp 17- jährig verstarb sie in Wien an den Folgen eines Typhus-Infekts.

Für die Matinee im Goethemuse­um hatte sich auch der Maler Gerhard Richter angesagt, ein langjährig­er Freund Herbert Schmidts. Von ihm stammt das Cover des GoetheBand­s. Gesundheit­sbedingt musste Richter kurzfristi­g absagen. Auch der Autor war nur mit großer Anstrengun­g in der Lage, der Veranstalt­ung zu seinen Ehren zu folgen: Gerührt nahm er den Applaus der zahlreiche­n Gäste entgegen.

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