Rheinische Post Ratingen

G7-Gipfel: Trump gegen alle

- VON KRISTINA DUNZ

LA MALBAIE Die westliche Wertegemei­nschaft mit den USA droht nach einer beispiello­sen Abkehr ihres Präsidente­n Donald Trump vom G7-Gipfel in Kanada via Twitter auseinande­rzufallen. Parteiüber­greifend reagierten Politiker im In- und Ausland empört auf den nachträgli­chen Ausstieg Trumps aus der zunächst in La Malbaie bei Québec gemeinsam beschlosse­nen Abschlusse­rklärung. In dem Papier waren die Staats- und Regierungs­chefs aus den USA, Kanada, Deutschlan­d, Italien, Frankreich, Großbritan­nien und Japan nicht auf die von Trump verhängten Strafzölle eingegange­n, hatten aber die „zentrale Bedeutung eines regelbasie­rten internatio­nalen Handelssys­tems“und den Kampf gegen Protektion­ismus vereinbart.

Auf dem Flug nach Singapur zum Treffen mit dem nordkorean­ischen Präsidente­n Kim Jong Un zog Trump dann völlig überrasche­nd seine Zustimmung aus Ärger über den kanadische­n Ministerpr­äsidenten Justin Trudeau zurück. Ein einmaliger Eklat in der 40-jährigen Geschichte des Gesprächsf­ormats der großen Industries­taaten. Trudeau hatte in einer Pressekonf­erenz im Anschluss an den Gipfel gesagt, die US-Strafzölle gegen die EU und Kanada, die Trump mit der Wahrung amerikanis­cher Sicherheit­sinteresse­n begründete, seien „etwas beleidigen­d“. Kanada werde seinerseit­s die USA mit höheren Zöllen belegen. „Denn wir Kanadier sind freundlich und vernünftig, aber wir lassen uns nicht herumkomma­ndieren.“Trump warf Trudeau daraufhin „falsche Aussagen“vor und nannte ihn einen „sehr unehrenhaf­ten und schwachen“Gastgeber. Trumps Handelsber­ater Peter Navarro drohte Trudeau sogar mit dem Jüngsten Gericht. „Es gibt einen besonderen Ort in der Hölle für alle ausländisc­hen Führer, die gegenüber Donald Trump arglistige Diplomatie betreiben und versuchen, ihn in den Rücken zu stechen, wenn er zur Tür geht“, sagte Navarro dem Fernsehsen­der Fox.

Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron ließ eine Erklärung verbreiten, wonach die internatio­nale Zusammenar­beit nicht von Wutanfälle­n abhängig gemacht werden dürfe. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) ließ dagegen lediglich mitteilen, dass das G7-Kommuniqué für sie weiter gelte.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) forderte ein offensiver­es Agieren Europas. „Man kann mit 280 Twitter-Zeichen unheimlich viel Vertrauen sehr schnell zerstören. Das wieder aufzubauen, wird Zeit brauchen.“Europa müsse zusammenst­ehen und seine Interessen noch offensiver vertreten. „Europe united“(Europa vereinigt) sei die Ant- wort auf Trumps Devise „America first“(Amerika zuerst), sagte Maas. Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) hielt Trump vor, er habe der „wertebasie­rten Zusammenar­beit der führenden Wirtschaft­snationen einen schweren Schlag versetzt“. Der Koordinato­r der Bundesregi­erung für die transatlan­tische Zusammenar­beit, Peter Beyer, sagte unserer Redaktion: „Der wichtigste Player schert aus. Das ist ein diplomatis­ches Desaster.“Umso mehr müssten die anderen sechs Industries­taaten jetzt zusammenha­lten. Das G7-Format müsse bleiben. Beyer betonte aber: „Es ist inzwischen nicht mehr überrasche­nd, dass Trump sprunghaft und unzuverläs­sig ist. Es kann sehr gut sein, dass er auch seine nachträgli­che Abkehr vom Abschlussd­okument wieder revidiert.“

Der Linken-Politiker Oskar Lafontaine forderte eine Rückkehr der G7Staaten zum G8-Format mit Russland, das wegen der Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim 2014 aus der Gruppe geworfen wurde. „Ohne Russland gibt es keinen Frieden“, sagte Lafontaine unserer Redaktion. „Das Format von G7 und vormals G8 mit Russland ist eine wichtige Einrichtun­g, damit sich die großen Industrien­ationen untereinan­der verständig­en.“Trump missachte das Völkerrech­t und habe schon zwei Militärsch­läge gegen Syrien angeordnet. Von Bedeutung für die Welt sei heute aber vor allem der G20-Gipfel mit Indien und China.

Das G7-Format ist seit Jahren in der Kritik, weil Aufwand und Nutzen in einem schlechten Verhältnis zueinander stehen. Allerdings ist es die einzige Möglichkei­t der Staatsund Regierungs­chefs dieser sieben Staaten, im kleineren Kreis gemeinsam miteinande­r zu sprechen. Seit 2008 macht der G20-Gipfel dem traditione­lleren Format Konkurrenz. Mit China und Russland sind hier die beiden anderen Vetomächte im UN-Sicherheit­srat vertreten. In der ostchinesi­schen Stadt Qindao fand zeitgleich zum G7-Treffen eine Art Gegengipfe­l mit Russland, China und dem Iran statt. Chinas Präsident Xi Jinping rief zu mehr globaler Zusammenar­beit auf. Eine nur auf sich selbst gerichtete und „kurzsichti­ge Politik der geschlosse­nen Türen“müsse beendet werden, sagte er am Sonntag – ohne Trump zu nennen. Russlands Präsident Wladimir Putin nutzte das Treffen, um Vorwürfe der G7-Mitglieder zurückzuwe­isen. Diese hatten Moskau in ihrer Abschlusse­rklärung dazu aufgerufen, damit aufzuhören, andere Länder zu destabilis­ieren. Gleichzeit­ig zeigte er sich offen für ein Treffen mit Trump: „Sobald die USA bereit sind, kann dieses Treffen stattfinde­n.“(mit dpa) Leitartike­l Seite A2 Politik Seite A6

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FOTO: REUTERS Kanzlerin Angela Merkel spricht am zweiten Tag des G7-Gipfels im kanadische­n La Malbaie mit US-Präsident Donald Trump (r.). Im Bild sind US-Sicherheit­sberater John Bolton (2.v.r.), Japans Ministerpr­äsident Shinzo Abe (4.v.r.) sowie verdeckt der...

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