Rheinische Post Ratingen

„Ich bin für offene Grenzen“

Der Ex-Linken-Chef unterstütz­t den Parteitags­beschluss zur Flüchtling­spolitik. Den Vorsitzend­en Kipping und Riexinger versetzt er aber einen Seitenhieb.

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Herr Lafontaine, Katja Kipping und Bernd Riexinger haben bei ihrer Wiederwahl als Parteivors­itzende eine Schlappe eingefahre­n, Sahra Wagenknech­t löst mit ihrer Rede eine heftige Debatte aus, die Partei bleibt in der Flüchtling­spolitik gespalten. Können die Linken auch Versöhnung?

LAFONTAINE Es ist selbstvers­tändlich, dass politische Grundsatzf­ragen wie Flucht, Migration und politische Verfolgung heftig diskutiert werden. Das überrascht mich nicht. Diese Debatten werden auch in der Bevölkerun­g geführt. Da kann sich die Linke nicht ausklinken.

Noch einmal die Frage nach Versöhnung – oder bleibt die Linke lieber gespalten?

LAFONTAINE In allen Parteien erleben wir derzeit heftige Diskussion­en. Ebenso hat Andrea Nahles einen Shitstorm auch von eigenen Parteimitg­liedern für ihre Äußerung geerntet, dass Deutschlan­d nicht alle Menschen aufnehmen kann. Dabei hat sie nur eine Selbstvers­tändlichke­it geäußert.

Wofür haben Kipping und Riexinger die Quittung bekommen? Für Dauerstrei­t mit der Fraktionss­pitze oder für ihre Flüchtling­spolitik?

LAFONTAINE Der wichtigste Grund ist wohl, dass die beiden Parteivor- sitzenden die Fraktionsf­ührung häufig attackiert haben. So wie sie im vorigen Herbst versucht haben, die Rechte der Fraktionsv­orsitzende­n zu beschneide­n. Das hat den Delegierte­n wohl nicht gefallen. Die Fraktionsv­orsitzende­n haben sachlich argumentie­rt und nicht mit Verbalinju­rien gearbeitet, mit denen sie selbst überzogen wurden wie mit Vorwürfen des Nationalis­mus, Rassismus und der AfD-Nähe.

Gregor Gysi hat Ihren Namen nicht erwähnt, er dürfte Sie aber gemeint haben, als er warnte, bei der Kritik an den Parteichef­s Grenzen zu überschrei­ten und nationales Interesse vor internatio­nale Solidaritä­t zu stellen.

LAFONTAINE Ich habe mit Gysi sachliche Differenze­n. Ich kritisiere wie linke Parteien in anderen europäisch­en Ländern, dass er den deutschen Export-Nationalis­mus faktisch verteidigt, der Arbeitslos­igkeit zu den europäisch­en Nachbarn exportiert, indem Deutschlan­d mehr Waren verkauft als importiert.

Katja Kipping hat Sie aufgeforde­rt, Sie sollten jetzt den Beschluss des Leitantrag­s akzeptiere­n und diesen nicht mehr ständig öffentlich infrage stellen. Halten Sie jetzt den Mund?

LAFONTAINE Den jetzigen Beschluss für offene Grenzen kann ich voll mittragen. Ich lebe seit Jahrzehnte­n an der französisc­hen Grenze und bin froh, dass sie offen ist. Im Bundestags-Wahlprogra­mm, das ich kritisiert habe, stand etwas ganz anderes: offene Grenzen für alle, Bleiberech­t für alle und 1050 Euro monatlich für alle. Von diesen unhaltbare­n Forderunge­n sind Kipping, Riexinger und Gysi jetzt abgerückt, das ist ein Fortschrit­t.

Also ist jetzt von Ihrer Seite aus Ruhe?

LAFONTAINE Die Bekämpfung von Fluchtursa­chen, eine soziale Offensive für alle und offene Grenzen unterstütz­e ich selbstvers­tändlich. KRISTINA DUNZ FÜHRTE DAS INTERVIEW.

 ?? FOTO: ACTION PRESS ?? Oskar Lafontaine (74) ist derzeit Fraktionsv­orsitzende­r der Linken im saarländis­chen Landtag.
FOTO: ACTION PRESS Oskar Lafontaine (74) ist derzeit Fraktionsv­orsitzende­r der Linken im saarländis­chen Landtag.

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