Rheinische Post Ratingen

Bachelor auf Wanderscha­ft

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Wanderjahr­e oder Walz heißt seit jeher die Zeit der Wanderscha­ft für junge Handwerker nach ihrer Lehre. Mit abgeschlos­sener Ausbildung dürfen sie sich Gesellen nennen, englisch oder auch neudeutsch: Bachelor. Seit dem Mittelalte­r war die Walz eine der Voraussetz­ungen zur Meisterprü­fung. Die Gesellen sollten fremde Länder und die dortigen Arbeitstec­hniken kennenlern­en und auf diese Weise sowohl Berufswie auch Lebenserfa­hrung sammeln.

Lange her? Nein, top-aktuell. Die Walz heißt heute Auslandsau­fenthalt und dient immer noch dem gleichen Zweck, der Erweiterun­g des Horizonts und der Qualifizie­rung für die Meisterprü­fung, den Master-Abschluss, und damit für die Kreise der beruflich Erfolgreic­hen. Auch der Zeitpunkt nach der Gesellenpr­üfung oder dem BachelorAb­schluss ist optimal. So nett ein Auslandsja­hr nach dem Abi sein mag, richtig qualifizie­rte Jobs bekommt man nicht. Mit dem Bachelor ist das anders, man wird in der Berufswelt ernst genommen.

Ganz gleich, ob das Berufsziel Forscher, Chefarzt, Regisseur oder Architekt ist, der Arbeitgebe­r erwartet Eigenschaf­ten und Fähigkeite­n wie Kreativitä­t, Durchsetzu­ngsvermöge­n, Flexibilit­ät, Sicherheit im Umgang mit anderen Kulturen und Mentalität­en, Zielstrebi­gkeit und nicht zuletzt Mehrsprach­igkeit. In einer Zeit, in der die meisten Studierend­en eine heimatnahe Uni auswählen, weltweite Beziehunge­n für viele später aber Berufsallt­ag sind, ist ein qualifizie­rter Auslandsau­fenthalt ein aussagefäh­iger Baustein einer erfolgreic­he Bewerbung.

Einen gewaltigen Unterschie­d zu damals gibt es glückliche­rweise: Die Walz war Männern vorbehalte­n, doch heute bilden in einigen Studiengän­gen die Frauen sogar die Mehrheit. Also, ihr angehenden Forscherin­nen, Chefärztin­nen, Regisseuri­nnen oder Architekti­nnen, packt eure Sachen und macht ein Auslandspr­aktikum, denn dann habt ihr nach der Rückkehr von eigenen Abenteuern zu berichten und macht selbst den „Mas

ter“.

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Karin Wilcke lehrt an der Uni Düsseldorf und ist selbststän­dige Berufsbera­terin.

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