„Bistros haben mich ein Leben lang begleitet. Wenn sie verschwinden, wäre ich verwaist“
Pierre Arditi Schauspieler steuern und fordert die Aufnahme der Bistros ins Unesco-Weltkulturerbe. Und das nicht nur wegen des Ambientes.
An den legendären Holztheken mit ihrem Zink-Beschlag sitzen Arbeiter ebenso wie Unternehmenschefs. Ein Schmelztiegel, wie er sonst kaum noch zu finden ist. „Im Gegensatz zu den Lounges sind die Bistros ein Ort für alle sozialen Schichten und für Kultur“, sagt Weber, der dieUnesco-Initiative unterstützt, der Zeitung „Les Echos“.
Vor ihm setzten bereits Künstler wie Pablo Picasso, Ernest Hemingway undHenri deToulouse-Lautrec dem Pariser Bistro ein Denkmal. Doch dort, woeinst Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir stundenlang debattierten, greift der Trend zu Fastfoodum sich. Schnellimbissketten ersetzen die traditionellen Bistros, die seit 150 Jahrenzur Identität der Stadt gehören. Statt dem „petit noir“am Tresen trinken die Fran- zosen ihren Frappé bei Starbucks. Die astronomischen Pariser Mietpreise erledigen den Rest. Die klassischen Bistros machen nur noch 14 Prozent der Pariser Gaststätten aus gegenüber 50 Prozent vor 30 Jahren. „Diese Pariser Lebenskunst geht verloren“, warnt Alain Fon- taine, der Vorsitzende des Vereins, der die Bistros zum Weltkulturerbe machen will.
Für viele ältere Pariser sind die Bistros, die von früh morgens bis spät abends geöffnet haben, eine Art zweites Wohnzimmer. „Sie haben mich ein Leben lang begleitet. Wenn sie verschwinden würden, wäre ich verwaist“, sagt der Schauspieler Pierre Arditi der Zeitung „Le Parisien“. Wie auf der Kommandobrücke eines Schiffes fühlt er sich auf der Terrasse seines Lieblingsbistros. „Ich gehe herum, ich träume, ich denke nach. Die Atmosphäre inspiriert mich.“
Seit dem 13. November 2015, dem Tag, an dem Paris durch mehrere Anschläge erschüttert wurde, sind die kleinen Restaurants zum Symbol des Widerstands geworden. „Je suis en terrasse“lautete der Slogan nach den Angriffen auf Bars und den KonzertsaalBataclan, bei denen 130 Menschen getötet wurden. Auf den Terrassen mit ihren typischen geflochtenen Stühlen ging das Leben weiter. Die Pariser tranken ihr Glas Wein, um den Islamisten zu zeigen, dass sie ihre Lebensart auch in Zeiten der Bedrohung nicht aufgeben.
Kein Wunder also, dass die Pariser Stadtverwaltung eine Unesco-Nominierung der Bistros begrüßen würde. Doch der Stadtrat hat bereits die Unterstützung einer anderen Kulturerbe-Initiative beschlossen: die der Bouquinisten. Die grünenBücherkistenausBlech, die sich an der Seine aneinanderreihen, wollen ebenfalls auf die Unesco-Liste kommen.
Das Kulturministerium muss nun dringend entscheiden, welche der Pariser Einrichtungen es vor der UN-Kulturorganisation unterstützt. Denn auch wenn beide ihren Charme haben: Bouquinisten und Bistroswerden eswohl nicht zusammen zur Aufnahme ins Weltkulturerbe schaffen.